Methylenblau und Tuberkulose
Kann es wirklich sein, dass Prof. Gräfin von Linden der "modernen" Medizin 120 Jahre voraus war?!
Tuberkulose, die Lungenkrankheit, die immer noch Angst und Schrecken verbreitet. Wer die erste Staffel der ZDF Serie “Charité”1 gesehen hat, erinnert sich an das Tuberkulin Debakel von Robert Koch.
Professor Gräfin von Linden
1912 veröffentlichte Professor Gräfin von Linden Tierversuchsdaten, welche zeigten, dass Kupferverbindungen und Methylenblau Tuberkulose in Mehrschweinchen heilen.
Professor Gräfin von Linden.
Eine Frau mit Professorentitel und das 1912?
Prof. Dr. Gräfin von Linden ist keine Unbekannte, sie war damals wohl ein echtes wissenschaftliches Schwergewicht.
“Sie erhielt 1910 als erste Frau in Preußen und eine der ersten im Deutschen Reich an der Universität Bonn den Professorentitel, allerdings ohne Lehrerlaubnis. […] Im Jahr 1900 wurde sie von der französischen Akademie der Wissenschaften mit dem Da-Gamo-Machado-Preis ausgezeichnet, 1908 als „Abteilungsvorsteher“ mit der Neueinrichtung des Parasitologischen Instituts an der Universität Bonn betraut. Am 30. November 1902 (Matrikel-Nr. 3156) wurde sie zum Mitglied der Leopoldina2 gewählt.”3
Prof. Dr. Gräfin von Linden ist jedenfalls dafür bekannt, dass “Sie die antiseptische Wirkung von Kupfer, welche dann von der Firma Paul Hartmann in Heidenheim zur Herstellung von sterilem Verband- und Nahtmaterial genutzt wurde, entdeckte.”4
Ihre Publikationsliste findet man auf der Webseite der Charité.5
Aktuelle Literatur zu Methylenblau, Kupfer und TBC
Als ich auf die ersten Artikel alten Artikel zu Methylenblau und Tuberkulose gestoßen bin, war ich mehr als misstrauisch. Konnte es wirklich so einfach sein?
Bevor ich mich auf Glatteis begebe mit alter Literatur, die “Schlangenöl”6 verkaufte, was damals, genau wie heute, durchaus möglich war und ist, machte ich daher eine schnelle Suche in pubmed, ob es hierzu neue alte Erkenntnisse gibt.
Et voilà, die alten Ärzte von damals waren auf dem richtigen Weg und uns möglicherweise sogar 120 Jahre voraus.
“Neueste” Erkenntnisse aus dem Jahr 2021:
“Wir kommen zu dem Schluss, dass Methylenblau aufgrund seiner bekannten Nebenwirkungen und Dosierungsschemata ein potenzielles Mittel gegen Tuberkulose sein könnte.”7
oder dieses Paper:
“Die Bedeutung von Methylenblau (MB) in der photodynamischen Therapie gegen Mikroben ist gut etabliert. […] Mechanistische Einblicke zeigten, dass MB sowohl bei C. albicans als auch bei Mycobacterium eine energieabhängige Membranstörung verursacht. Wir konnten außerdem bestätigen, dass MB in beiden Organismen zu einer erhöhten Bildung reaktiver Sauerstoffspezies führt, die durch die Zugabe von Antioxidantien rückgängig gemacht werden kann; DNA-Schäden konnten jedoch nur bei Mycobacterium beobachtet werden. Wir konnten nachweisen, dass zwar die Biofilmbildung in beiden Organismen gestört war, die Zelladhäsion an menschlichen Epithelzellen jedoch nur bei Mycobacterium gehemmt war. Schließlich zeigten die RT-PCR-Ergebnisse eine gute Korrelation mit dem biochemischen Assay. Insgesamt liefert diese Studie neben der bereits bekannten Rolle von MB in der photodynamischen Therapie Einblicke in die unterschiedlichen antimikrobiellen Wirkmechanismen bei zwei bedeutenden humanpathogenen Erregern, Candida und Mycobacterium, die zur Verbesserung unseres Verständnisses bei der Suche nach neuen therapeutischen Optionen herangezogen werden können.”8
“Angesichts der begrenzten Anzahl verfügbarer Antimykotika und Antimykobakterien-Therapien bei gleichzeitig zunehmender Arzneimittelresistenz ist die Suche nach neuen, sicheren und wirksamen Antimykotika und TB-Behandlungen unumgänglich. Angesichts der Tatsache, dass MB ein von der FDA zugelassener Farbstoff ist, der bereits für verschiedene therapeutische Optionen verwendet wird, werden die in dieser Studie vorgestellten eindeutigen antimykotischen und antimykobakteriellen Mechanismen von MB dazu beitragen, weitere Studien zu MB als vielversprechendes Medikament für die Zukunft zu verstehen.”9
Dass Kupferverbindungen gegen Mycobacterium tuberculosis helfen, auch dafür gibt es neue Daten, welche die alten Daten unterstützen.10 11 12 13 14 Kupferverbindungen sind aber nicht Schwerpunkt dieses Artikels. Nur zur Vollständigkeit, auch hier hatte Prof. Gräfin von Linden recht.
Fototherapie, das ist ein anderer Artikel, der im Hintergrund reift, dazu gibt es auch Daten vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die in Vergessenheit geraten sind.
Diese “neuen” Daten stützen also die alten Publikationen, welche ich in diesem Artikel wieder zugänglich machen möchte, damit die Pioniere, die das schon vor 120 Jahren wussten auch endlich wieder zitiert werden.
Man muss das Rad auch in diesem Zusammenhang nicht schon wieder neu erfinden. Man kann auch alte Daten prüfen und darauf direkt aufbauen. Das spart Zeit.
1912 gab es Tierversuche mit Methylenblau und/oder Kupferchlorid Prof. Dr. Gräfin von Linden wohl Mehrscheinchen von Tuberkulose heilen. Die ausführliche Publikation, welche darüber Auskunft geben könnte, ist nicht digital verfügbar.
Da diese Krankheit auch für die breite Masse von Interesse war, fanden sich Meldungen zu diesen Tierversuchen sogar in Arbeiterzeitungen und später auch in der Wiener Medizinischen Wochenschrift. In diesem Fall scheinen die Daten vom Mainstream in die Fachpresse geschwappt zu sein, und nicht umgekehrt wie sonst. Auch wurde in der Fachzeitschrift aus der Kupferverbindung Jod-Methylenblau und Prof. Dr. von Linden falsch (Lindau statt Linden) geschrieben. Möglicherweise war der Fachartikel von 1912 fehlerhaft, vielleicht waren es aber auch zwei unterschiedliche Versuche, das kann ich nicht genau sagen. Auffällig ist jedoch, dass die Tierversuchsdaten zuerst in Mainstream der normalen Menschen erschienen, dann fehlerhaft in Fachzeitschriften und letztendlich erst 1917 in der Berliner Klinische Wochenschrift veröffentlicht wurden. Normalerweise ist die Reihenfolge genau anders herum.
Gäbe es nicht die modernen Daten, die sowohl den Erfolg von Methylenblau als auch Kupfer bei Mycobacterium tuberculosis zeigen, wäre ich doch sehr misstrauisch gewesen. So muss ich eingestehen, dass an diesen Versuchen möglicherweise wirklich was dran war und sie den modernen Forschern voraus war, weil sie diese beiden Stoffe bereits 1912 kombinierte, um TBC in Mehrschweinchen zu heilen.
Eine Frau, die sich in der damaligen Männergesellschaft in der Universität durchsetzen konnte musste deutlich besser sein als ihre Kollegen, um den gleichen Respekt zu erhalten. Ihre Ergebnisse sind somit durchaus ernst zu nehmen.
Die mediale Aufmerksamkeit ist in etwa so wie bei der spektakulären Heilung vom Krebs durch Methylenblau im Jahr 1894.15
Man sieht, wie der Artikel von einer Zeitung zur nächsten, teils unverändert, weitergereicht wird. TBC war damals ein die Massen interessierendes Thema, wie es scheint.
16 Neues Wiener Journal Nr. 6791, 19. September 1912, S. 7
“Erfahrungen mit einer Chemotherapie der Tuberkulose.
Versuche an Meerschweinchen.
In der Abteilung für Therapie hielt Frau Professor Dr. Gräfin von Linden17 aus Bonn einen Vortrag über Erfahrungen mit einer Chemotherapie der Tuberkulose. Sie führte unter anderem aus: Die Präparate, mit denen gearbeitet wurde, gehören ganz verschiedenen chemischen Gruppen an, das eine ist ein Farbstoff, Methylenblau, das andere ein Kupfersalz. Als praktischen Erfolg der Kupferbehandlung wie der Anwendung des Farbstoffes bei den Tierversuchen ergab sich folgendes: Lebensverlängerung, Ausheilung der tuberkulösen Herde und «in wenigen Fällen — es sind bis jetzt zwei zu verzeichnen — so weitgehende Abtötung der Tuberkelbazillen, dass die Überimpfung der Drüsen oder der Reste von Lungenherden beim Impftier keine Erkrankung verursachten, so dass auch in diesen beiden Fällen von einer Heilung gesprochen werden kann. Bei allen anderen mit Kupfer behandelten Tieren waren aber neben einer sehr beschränkten Ausbreitung der Krankheit in den entstandenen tuberkulösen Herden deutliche Heilungsvorgänge zu beachten, die sich in einer starken Bindegewebsentwicklung kennzeichneten. Aus bestimmten Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass , wir bei der Kupfertherapie der Tuberkulose nicht nur die chemischen Kräfte des Kupfers auf den Krankheitserreger im Organismus einwirken lassen, sondern dass wir gleichzeitig die physiologischen Kräfte entfesseln und die natürliche Heilung bewirken, die Robert Koch durch das Tuberkulin künstlich wachrufen wollte. Es würde dann bei der Heilung durch Kupfer nicht nur der Effekt der in den Körper eingeführten minimalen Mengen des Metalls zur Geltung kommen, sondern es würde sich an diesen ersten Effekt der Bazillenrichtung wirken, und so lange noch Bakterien vorhanden sind, immer wieder aufs neue ausgelöst werden können, bis schließlich Heilung erzielt ist.”
18 Die Zeit Nr. 3586, 10. September 1912, S. 6
“Chemotherapie der Tuberkulose. In der Abteilung für Therapie hielt Frau Professor Dr. Gräfin von Linden aus Bonn einen Vortrag über Erfahrungen mit einer Chemotherapie der Tuberkulose und führte unter anderem aus: Als praktischen Erfolg der Kupferbehandlung wie der Anwendung des Farbstoffes Methylenblaubei den Tierversuchen ergab sich folgendes: Lebensverlängerung, Ausheilung der tuberkulösen Herde und in wenigen Fällen — es sind bis jetzt zwei zu verzeichnen - so weitgehende Abtötung der Tuberkelbazillen, dass die Übenimpfung der Drüsen oder der Neste von Lungenherden beim Impftier keine Erkrankung verursachten, so dass auch in diesen beiden Fällen von einer Heilung gesprochen werden kann. Bei allen anderen mit Kupfer behandelten Tieren waren „aber neben einer sehr viel beschränkteren Ausbreitung der Krankheit in den entstandenen tuberkulösen Herden deutliche Heilungsvorgänge zu beobachten, die sich in einer starken Bindegewebsentwicklung kennzeichnete. Aus bestimmten Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass wir bei der Kupfertherapie der Tuberkulose nicht nur die chemischen Kräfte des Kupfers auf den Krankheitserreger im Organismus einwirken lassen, sondern dass wir gleichzeitig die physiologischen Kräfte entfesseln, die eine natürliche Heilung bewirken und die Robert Koch durch das Tuberkulin künstlich wachrufen wollte.”
19 Linzer Tages-Post, 18. September 1912, S. 3
“In der Abteilung für innere Medizin hielt Professor Strauß aus Barmen einen Vortrag über „Chemotherapie der äußeren Tuberkulose“ und führte u. a. aus: Die beiden Präparate, mit welchen die ersten erfolgreichen Versuche durch Professor Gräfin von Linden in Bonn an Meerschmeinchen angestellt wurden, gehören ganz verschiedenen chemischen Gruppen an. Auf der einen Seite das Chlor- und Jodwasserstoffsalz des Methylenblau, auf der anderen bestimmte Kupfersalze, zunächst das Kupferchlorid.Nachdem diese Versuche zu einem gewissen positiven Abschluß gelangt waren, ging Finkler dazu über, die Mittel bei äußerer Tuberkulose, speziell bei Lupus, am Menschen erproben zu lassen, mit welcher Aufgabe er den Vortragenden betraute. Die Versuche erstrecken sich auf etwa 70 Fälle von Lupus und anderer äußerer Tuberkulose. Der Lupus wird am schnellsten durch eine gleichzeitige örtliche und allgemeine Behandlung beeinflusst, besonders wenn er vom Blute ausgeht. Zur örtlichen Behandlung hat sich am besten eine Salbe aus einer neuen chemischen Verbindung bewährt, welche im wesentlichen aus einem komplexen Kupfersalz und Lecithin besteht, mit oder ohne Zusatz einer gesättigten, wässerigen Jodmethylenblau-Lösung. Zur allgemeinen Behandlung eignete sich am besten eine aus einem komplexeren Kupfersalz hergestellte Lösung. Sehr gut bewährten sich zur allgemeinen Behandlung Schmierkuren mit einer Salbe, die im wesentlichen aus einer neuen Komposition von Lecithin mit anorganischem Kupfersalz besteht. Auch für die innere Verabreichung eignen sich die neuen Präparate. Die Reaktionen auf die Mittel sind typisch für Tuberkulose und haben differenzialdiagnostischen Wert. Je akuter der Prozess ist, umso kleiner sind die Dosen zu wählen. Akuität, Ausbreitung der Tuberkulose und Dosis sollen im umgekehrten Verhältnisse stehen. Am schnellsten und stärksten wirken bei Lupus die Salben. Die lupösen Infiltrate werden resorbiert, die Ulzerationen heilen meist ohne große Reizwirkung. Die typischen Reaktionen treten nur bei tuberkulösen Personen auf. Schon vom Beginne der Versuche habe der Vortragende versucht, eine Kombination der beiden Mittel anzuwenden, und zwar sei es nebeneinander, nacheinander oder miteinander. Der Vortragende hat die Mittel auch gemischt eingespritzt, doch hierin keinen Vorteil erblickt. Die neuen Präparate ergeben auffallende Heilwirkungen und berechtigen zu der Hoffnung, dass auch eine einfache und verhältnismäßig schnelle Bekämpfung der äußeren Tuberkulose ohne große Kosten möglich ist. Wird die Tuberkulose in ihren Anfängen bekämpft, so bietet die „Heilmethode die besten Aussichten, insbesondere bei jugendlichen Patienten. Die Methode eröffnet auch einen neuen Ausblick auf die Frage der Immunität. Namentlich das Kupfer, das die stärkere spezifische Wirkung beim Menschen zeigte, scheint die Forderung der Chemotherapie zu erfüllen: Verankerung durch die Tuberkelbazillen, ihre allmähliche Abtötung, feine Schädigung des Organismus in den therapeutisch wirksamen Dosen. An den Vortrag schlossen es Demonstrationen von Lichtbildern, aus welchen auffallende Heilerfolge, die schon nach Wochen erzielt wurden, zu erkennen waren, welche mit der Finsenbehandlung erst nach vielen Monaten zu erzielen waren.”
20 Monatsschrift für Ohrenheilkunde und Laryngo-Rhinologie Nr. 9 1912 , S. 1194
”Über die Therapie der Tuberkulose mit spezifischen Seris referierten Teissier und F. Arloing (Lyon). Kontraindikationen gibt es, abgesehen von der individuellen Sensibilität und den anaphylaktischen Erscheinungen, nicht. Will man letztere vermeiden, muß man den im übrigen weniger wirksamen Weg der rektalen Einverleibung wählen. Die Serotherapie kann die Tuberkulose zwar nicht immer heilen, sie wirkt aber fast stets bessernd. Lucatello (Padua) betonte, daß ein Heilserum zu gleicher Zeit bakteriolytisch und antitoxisch sein muß. Much (Hamburg) sprach über spezifische Antikörper im Blute künstlich immunisierter Tiere unter besonderer Berücksichtigung der Partialantigene. Bernheim (Paris) hat unter Jodwirkung die Bildung von Antikörpern beobachtet. Ferreira (Sao Paolo) sprach über Tuberkulintherapie in Sanatorien und in der ambulanten Praxis, Capparoni (Rom) über die Behandlung der tuberkulösen Pleuritiden und Peritonitiden mit Jodoform, Dogen (Paris) über die Behandlung der Tuberkulose mit einer Mischung von Tuberkulin und Mykolysin, die der Rechner als Phymalose bezeichnet. Durch die Behandlung mit diesen Mitteln werden nicht nur die Tuberkelbazillen, sondern auch die Mikroben der konkurrierenden Infektionen abgetötet. Die Resultate sind nach Angabe des Redners ausgezeichnete zu nennen. Frau Fuchs-Wolfring (Davos) berichtete über die Wichtigkeit der Präzipitinreaktion im Blute für die Diagnose und Prognose der Tuberkulose, besonders auch bei Verfolgung des Heilungsverlaufes. Gräfin Linden (Bonn) sprach über die Wirkung der Methylenblau-Jodverbindung und von Kupferverbindungen nach Finkler und bei der experimentellen Meerschweinchentuberkulose; mit dem ersteren Präparat wurden 750%, mit dem letzteren 90—-100 % Heilungen erzielt. Strauss (Barmen) berichtete über die Erfolge dieser chemotherapeutischen Behandlung bei Lupus, die ermutigend sind, zu einem abschließenden Urteil aber noch nicht berechtigen. Auch Meissen (Hohenhonnef), der sich sehr vorsichtig ausdrückt, berichtet über befriedigende Erfolge, besonders bei einzelnen mittelschweren Fällen. Um ein abschließendes Urteil zu haben, bedarf es noch länger fortgesetzter Beobachtungen. Es sprachen noch CGevey (Lausanne), Bruschettini (Genua), Degli Occhi (Mailand), der die günstigen Erfolge des Bouillonfiltrats Dönitz’ hervorhebt, Campana (Rom), Möllers”
21Arbeiter-Zeitung Nr. 258, 20. September 1912, S. 7
“Kupferpräparate gegen Tuberkulose. Zuerst berichtete Gräfin Linden (Bonn) über Tierversuche, bei denen mit einem Farbstoff (Methylenblau) und mit einem Kupfersalz gearbeitet wurde. Als praktischer Erfolg ergab sich Lebensverlängerung, Ausheilung der tuberkulösen Herde und in wenigen Fällen — bis jeht zwei — so weitgehende Abtötung der Tuberkelbazillen, dass die Überimpfung der Drüsen oder der Reste von Lungenherden beim Impftier eine Erkrankung verursachte. Auch in diesen beiden Fällen glaubt die Vortragende von einer Heilung sprechen zu dürfen. Bei allen anderen mit Kupfer behandelten Tieren, war neben einer sehr stark beschränkten Ausbreitung der Krankheit in den entstandenen tuberkulösen Herden deutlich Heilung zu beobachten.”
22 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 21, 1913, S. 1317
“Beiträge zur Chemotherapie der Tuberkulose. Nach den Vorträgen von Prof. Dr. Gräfin v. Lindau (Bonn), Prof. E. Meissen (Hohenhonnef), Dr. A. Strauss (Barmen). (Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 23, H. 2. Herausgeg. v. L. Brauer.) — Die drei Vorträge befassen sich mit dem Finkler’schen Heilverfahren mit Jod-Methylenblau und Kupferpräparaten, von denen sich Kupferlezithinverbindungen für den Menschen brauchbar, d. h. ungiftig erwiesen. Nach Gräfin v. Lindau nehmen Tuberkelbazillen beide Farbstoffe gierig auf und werden in ihrer Virulenz und Entwicklungsfähigkeit abgeschwächt. Experimentell ließ sich mit beiden Präparaten bei 50 pCt. der infizierten Meerschweinchen ein auffälliger Heilerfolg konstatieren, bei einem Tiere sogar völlige Heilung; dieses war mit Jod-Methylenblau behandelt worden. Meissen hat 47 Kranke behandelt. Ganz schwere Fälle waren weder durch den Farbstoff noch das Metallsalz zu beeinflussen, leichte Fälle heilten glatt, bei mittelschweren war der Verlauf wesentlich günstiger als in ähnlichen Fällen, die nur allgemein behandelt wurden. Die Erscheinungen bessern sich nur langsam. Strauss hat die beiden Präparate bei lupösen Erkrankungen angewendet. Jod-Methylenblau wirkt langsamer als die Kupfersalze. In fast allen Fällen zeigte sich günstige Wirkung. Oberflächliche und ulzeröse Prozesse reagierten schneller als alte torpide Infiltrate. Auch Strauss fand, dass die Heilungstendenz nur eine langsame war.”
“Gräfin zur Linden: Erfahrungen der Kupferbehandlung bei der experimentellen Tuberkulose des Meerschweinchens und hei den verschiedenen Formen der Tuberkulose des Menschen. Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung, 1917, Bd. 6, H. 6.
Die Versuche erstreckten sich über mehrere Jahre und wurden ausgeführt an 202 Meerschweinchen, von denen 38 unbehandelte Kontrollen waren, 38 anderweitig behandelte Vergleichsobjekte, 34 mit Methylenblau und 92 mit Kupfer behandelt wurden. Namentlich die Behandlung mit Kupfersalzen gab eindeutige Bilder. Der akute Prozess wurde chronisch, die progrediente Tuberkulose stationär. Charakteristisch ist der Einfluss der Kupfereinspritzungen auf die Temperaturkurve der Tiere; er ist proportional der verwendeten Kupfermenge und umgekehrt proportional zur Virulenz und Menge der Bakterien, welche zur Infektion benutzt wurden.
Auch das Körpergewicht wurde durch Kupferbehandlung sehr günstig beeinflusst. Ebenso stieg Fruchtbarkeit und Lebensdauer (bis zum Doppelten und Siebenfachen) der kupferbehandelten Tiere. Die Sektion der am längsten die Infektion überlebenden Tiere ergab nur geringfügige oder abgeheilte tuberkulöse Veränderungen. Bei 1/3 der Versuchstiere entstand durch Kupferbehandlung Heilungsaussicht, namentlich bei subkutaner Behandlung mit hoher Anfangsdosis (3—5 mg Cu). Die beste Aussicht gibt die äußere Haut (Impfabszess), die schlechteste die Milz.
Histologisch ergibt sich, dass Cu-Behandlung die Vermehrung der Tuberkelbazillen hemmt, die Herde weniger Riesenzellen und Nekrosen, dagegen Bindegewebswucherung enthalten. 14 Tage post infectionem begonnen, ist die Cu-Behandlung am wirksamsten. Die Temperaturerhöhungen — ähnlich denen bei Tuberkulineinspritzungen — scheinen von der Gegenwart der Reaktionskörper im Blut abhängig. Auch lokale Herdreaktion tritt wie beim Tuberkulin ein. Nach Kupferbehandlung tuberkulös infizierte Tiere fieberten früher als nicht vorbehandelte. Danach ist anzunehmen, dass die Immunkörperbildung beschleunigt wird.
Kupfer im Säftestrom verschlechtert den Nährboden der Bazillen, bringt sie zum Absterben, wirkt außerdem katalytisch auf die Reaktionskörper und regt, wahrscheinlich durch Tuberkulinbildung, die Autoimmunisierung an.
Noch auffallender ist die prophylaktische Wirkung des Cu, die proportional der Menge ist und 1 / 2 — 3 / 4 Jahr andauert, aber am wirksamsten kurz vor der Infektion auftritt.
Menschen vertragen Kupfer ungleich schlechter (Schmerzen, Infiltrate, Nekrosen). Praktisch möglich sind 2 mal wöchentliche Einspritzungen von 0,5 bis 1 ccm einer 1 proz. Kupferchloridmenge =1,8 bis 7,2 mg Cu. Diese geringen Cu-Mengen hatten bei Lupus örtliche Reaktionen zur Folge und allmählich Heilungsvorgänge; ebenso bei Knochenfisteln; das Körpergewicht nahm zu. Bei anderen als tuberkulösen Leiden fehlte jede Wirkung. Bei äußerlicher Anwendung bewährte sich Lekutylsalbe, eine Kupferlecithinverbindung, die gut löslich und resorbierbar ist; sie wirkt elektiv und spezifisch auf lupöse Herde in einem solchem Grade, dass sie sogar diagnostisch verwendet werden kann. Auch bezüglich der Dauer und des kosmetischen Erfolges waren die Ergebnisse gut. Krankengeschichten werden allerdings nicht angeführt, vielmehr auf Strauss* and anderer Autoren Arbeiten Bezug genommen. Weniger wirksam erwies sich Cu, wie Berichte von Klinikern ergeben, bei Fällen, wo es nicht in unmittelbare Berührung mit den Krankheitsherden gebracht werden kann. Jedoch wurden bei geeigneten Fällen nach intravenöser Anwendung auch hier Erfolge erzielt. Hervorgehoben wird von den Beobachtern die Schnelligkeit, mit der die Wirkung eintritt. Immerhin glaubt die Autorin, auch beim Menschen der Kupferbehandlung eine Zukunft Voraussagen zu können, obwohl ihr naturgemäß eigene Erfahrungen hierüber nicht zur Seite stehen.”
Die Daten wurden 1917 wohl noch einmal ausführlicher in Buchform veröffentlicht.
Kupfer gibt es mittlerweile als Nahrungsergänzungsmittel. Verwendet wird Kupfergluconat, Kupferbisglycinat oder kolloidales Kupfer. Ob das oral funktionieren würde, kann ich nicht sagen. Ich schätze, diese Substanzen standen damals nicht zur Verfügung genauso wenig wie Pulverinhalatoren. Das wäre ein interessantes Forschungsprojekt für eine Studie ohne direkt wieder im Urschleim anzufangen.
25 Pester Lloyd - 4. Dezember 1923, S. 2
“Sehr interessant, wenn auch im Ergebnis negativ, ist das Referat Dr. Eugen Baräths über die Chemotherapie der Tuberkulose. Hunderte Ärzte arbeiten ununterbrochen daran, ein Heilmittel gegen die Tuberkulose zu finden, und wer die Spalten der Tagesblätter mit Aufmerksamkeit verfolgt, wird immer wieder von angeblich erfolgreichen Versuchen lesen, die das Auffinden des so lange gesuchten Heilmittels der Lungenschwindsucht zum Ergebnis hatten. Robert Koch inaugirierte die Tuberkulintherapie. Andere versuchten chemische Mittel, wobei die Arbeiten Ehrlichs als Wegweiser dienten, der die wissenschaftlichen Grundlagen der Chemotherapie schuf. Diese Therapie sucht nach Mitteln, die den schädlichen Eindringling. hier also den Tuberkelbazillus, zerstören, ohne die Körperzellen zu schädigen. Als solche Mittel sind versucht worden: Methylenblau, Kupfer-,Gold-und Galleverbindungen, Kantharidin, Zuckereinspritzungen, sowie ein ganzes Heer verschiedenster Stoffe, die unter pompösen Namen eine Zeitlang empfohlen werden um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Das Ergebnis ist negativ, und das Leiden kann, wie bisher nur durch strikte Befolgung der bewahrten hygienischschdiätetischen Therapie erfolgreich behandelt werden.”
26 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 21, 1927, S. 672
“Nach Nephrektomie27 einer tuberkulösen Niere bedürfen die residuären spezifischen Blasenprozesse zumeist einer intensiven Nachbehandlung, die an der Klinik in der Applikation von Jodoformguajakolöl sowie von Methylenblau (letzteres lokal und intern) besteht. Wenn durch Elimination der primär erkrankten Niere der aus dieser erfolgende Infektionsnachschub unterbunden ist, tendieren die tuberkulösen Veränderungen der Blase in den meisten Fällen früher oder später zur anatomischen Ausheilung. Was trotz der letzteren zurückbleiben kann, ist ein chronischer Reizzustand der Blase, der sich als geringe Kapazität und dementsprechend starke Verringerung der Miktionspausen — Pollakisurie — manifestiert.” (Bemerkungen zur Diathermiebehandlung urologischer Erkrankungen. Von Dr. FELIX FUCHS, Operateur der Klinik.)
28 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 20, 1929, S. 653
“Als Installation in die Blase nach den Spülungen kommt reines Olivenöl, oder Quajakol-Jodoformöl in Betracht. Letzteres in der Zusammensetzung: Quajakoli 30, Jodo formi 2:0, Ol. olivar. ad 100.0; 10 cm³ in die Blase eingespritzt und belassen. In vielen Fällen wirkt auch Methylenblau (5 cm³ einer 1% Lösung) in die Blase eingespritzt sehr günstig. Ebenso kann man Methylenblaukapseln (Methylen coerul. 0,1 ad capsul. gelodurat.) täglich 2 Kapseln, verabfolgen, soll aber das Medikament bei Verdauungsstörungen weglassen.“ (Die Behandlung der Cystitis tuberculosa. Von Dr. KOLOMAN HASLINGER, Assistent der Klinik. )
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Methylenblau und Krebs in den Medien von 1894
1894 gab es eine Einzelfallstudie, die es von einem medizinischen Fachmagazin bis in den damaligen, regionalen Mainstream schaffte.
Maria von Linden – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_von_Linden
Berliner Klinische Wochenschrift 1917 54 Teil 2 Ab 645 : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive https://archive.org/details/BerlinerKlinischeWochenschrift191754Teil2Ab645/page/n95/mode/2up
Datei:Linden Kupferbehandlung.djvu – Wikipediahttps://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Linden_Kupferbehandlung.djvu
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Nephrektomie - DocCheck Flexikon https://flexikon.doccheck.com/de/Nephrektomie
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hmmm ... Habe das jetzt nicht gelesen, weil es mir zu viel Lebenszeit kosten würde.