Methylenblau bei Cystitis, Pyelitis und (Ovarial)Carcinom
Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 9, 1891
Aktuell wird Methylenblau in der Krebstherapie wieder erforscht. Man erfindet das Rad wieder einmal “neu”, weil man den alten Daten nicht glauben will.
“Unsere Studie legt nahe, dass eine MB-vermittelte PDT in Kombination mit einer Chemotherapie einen vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der therapeutischen Wirksamkeit und möglicherweise zur Verringerung des Risikos von Nebenwirkungen und Arzneimittelresistenzen darstellen könnte.”1
“Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial einer langfristigen MB-Exposition als Strategie zur Verbesserung des Ansprechens auf Chemotherapien bei Eierstockkrebszellen. Die Fähigkeit von MB, den Sauerstoffverbrauch zu stimulieren und die mitochondriale Aktivität zu steigern, macht es zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Therapie von Eierstockkrebs. Es gibt Aufschluss über den metabolischen Druck, der auf die Mitochondrien ausgeübt wird, und deren Modulation durch MB, und trägt so zu einem tieferen Verständnis der mitochondrialen Dysregulation und der metabolischen Grundlagen der Proliferation von Krebszellen bei.”2
“Zusammenfassend lässt sich sagen, dass MethB und TBO wertvolle Kandidaten für die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs sein könnten, indem sie auf die APLP2-Verarbeitung abzielen.”3
“Durch die Erhöhung der molekularen Stabilität und die Verhinderung der Dimerisierung von Methylenblau wird das zellabtötende Potenzial von Methylenblau erhöht, was wiederum zu einer Verbesserung der photodynamischen Wirksamkeit führt.”4
Im Merck Manual von 1901 ist diese Therapie auf S. 123 gelistet:
Diese “neuen” Daten zeigen, was man bereits vor 120 Jahren beschrieben hat: Methylenblau funktioniert gegen Krebs, aber besser wenn man es mit Sonnenlicht kombiniert.
6 Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 9, 1891
Über die Anwendung des Methylenblau bei Cystitis, Pyelitis und Carcinom. 1 )
Vorläufige Mittheilung.
Von Dr. Max Einhorn, New-York.
Während meines letzten Aufenthalts in Berlin wurde ich von Herrn Prof. Dr. P. Ehrlich auf die Anwendung des Methylenblau als schmerzstillendes Mittel aufmerksam gemacht. Nach New-York zurückgekehrt, fing ich an mit diesem Mittel zu arbeiten. Methylenblau geht schnell, selbst wenn per os oder rectum gegeben, in die Zirkulation über, wie dies das baldige Auftreten des Farbstoffs im Urin zeigt. — Die Anilinfarben wirken alle stark antiseptisch, und es fragte sich zunächst, ob der von den Patienten ausgeschiedene blaue Urin aseptisch bleibt. Es zeigte sich, dass dies der Fall ist. Urine von Patienten, die 0,2 Methylenblau 2 — 3 mal täglich genommen, blieben ohne weitere Cautelen drei Wochen unzersetzt stehen, d. h. sie zeigten keinen fauligen Geruch. Auch Impfungen eines solchen drei Wochen alten Urins auf Bouillongelatine ergaben keine Colonienentwicklung, — während die Kontrollprobe — Impfung von Bouillongelatine mit einem, einen Tag alten, gewöhnlichen Urin — nach 4—5 Tagen eine grössere Colonieentwickelung aufwies.
Dies war der Grund, weswegen ich Methylenblau in zwei Fällen von Cystitis und Pyelitis innerlich gegeben habe, und so weit mit gutem Erfolge.
Da die Behandlung der Lungenschwindsucht jetzt in den Vordergrund getreten ist, so glaubte ich einen Versuch mit Methylenblau bei Phthisikern machen zu dürfen, und zwar aus folgenden zwei Gründen:
1. Konnte man sich vorstellen, dass vielleicht durch die Einwirkung des Farbstoffs auf gewisse Nervenzentren der Husten und die Schmerzen vermindert würden;
2. Wäre es möglich, dass der Farbstoff durch die Lungen (ebenso wie durch den Urin) ausgeschieden wird und eventuell antiseptisch wirken könnte.
Untersuchungen der Sputa von acht Methylenblau nehmenden Phthisikern zeigten, dass der Farbstoff stets, — sei es in größeren Kristallen oder in ganz feinen Körnchen - in jedem Präparat vorhanden war.
Makroskopisch konnte man keine Veränderung im Aussehen des Sputum wahrnehmen; die größeren Kristalle des Farbstoffs konnten bei schwacher Vergrößerung, die feinen Körnchen erst bei Immersion und Abbe’scher Beleuchtung, deutlich gesehen werden.
Der Farbstoff wird also zweifellos auch durch die Lungen ausgeschieden; allein Impfungen mit dem Sputum von Methylenblaupatienten auf Agar-Agargelatine zeigten schnelle Kolonieentwickelungen. — Über die klinischen Resultate kann ich vorläufig nicht viel sagen.
Als hier am 2. Februar d. J. die Depesche von der erfolgreichen Anwendung der Pyoktanineinspritzungen Mosetig’s bei malignen Tumoren anlangte, schlug ich Herrn Dr. J. Rudisch vor, da wir die Dosirung des Pyoktanins damals nicht kannten, — anstatt dessen Methylenblau innerlich zu versuchen. Es war vorauszusehen, dass dieser Körper, den Anilinfarbstoffen angehörend, ebenso wirken würde wie das Methylviolett oder Pyoktanin. Das Methylenblau hat aber außerdem den Vorzug, dass es in größeren Dosen vom Magen oder Darm aus gut vertragen wird.
Herr Dr. J. Rudisch und ich haben nun folgenden Fall von malignem Tumor seit dem 2. v. M. mit Methylenblau, anfangs 0,2 per os, später 0,3 per rectum, einmal täglich behandelt. Frau N. N., etwa 40 Jahre alt; seit Juli 1890 Ovarialtumor nachgewiesen, derselbe wuchs schnell, und bald war der Uterus und das Beckenzellgewebe mit involviert. Im Oktober wurde Patientin von G. Thomas untersucht; er stellte die Diagnose Carcinom und sagte, dass eine Operation hier unmöglich sei. Munde und darauf F. Lange haben die Diagnose später bestätigt und waren gleichfalls der Ansicht, dass eine Operation unmöglich sei. Im November verschlechterte sich der Zustand, insofern als neben dem Wachsen des Tumors Anasarca und Ödem der beiden unteren Extremitäten eintraten; Schwellung der ganzen linken Körperhälfte, herauf reichend bis zur Schulter, — Geschwulst im Januar 1891 über mannskopfgross, äusserster Grad von Macies; Puls 110—120, kein Fieber, Appetit ganz erloschen; Schmerzen, Schlaflosigkeit, ab und zu Erbrechen. — Seit dem 2. Februar Methylenblau 0,2, zuerst dreimal, dann aber nur einmal täglich. (Der Puls fing, als Patientin 3 Tage hindurch Methylenblau 0,2 dreimal per Tag genommen hatte, an auszusetzen, weswegen die Dosierung herabgesetzt wurde).
Nachdem Patientin 14 Tage diesen Farbstoff genommen hatte, stellte sich langsam eine Besserung in ihrem Zustande ein; der Appetit wurde gut; sie fing an ordentlich zu essen und ruhig zu schlafen; Schmerzen waren beinahe gar nicht vorhanden. Am 21. Februar war kein Anasarca mehr da, und das Ödem der unteren Extremitäten und der linken Seite war verschwunden. Der Puls war gut und kräftig, 80 in der Minute; die Geschwulst war jetzt durch die dünnen (nicht mehr ödematösen) Bauchdecken sehr leicht abzutasten; sie erschien etwas härter und kleiner als vorher. Dieses Kleiner werden der Zirkumferenz der Geschwulst konnte hauptsächlich auf der rechten Seite deutlich nachgewiesen werden.
Die Besserung in dem Zustande der Patientin schritt immer weiter bis heute vor, und ich zögere nicht, diese Umwandlung zum besseren dem Methylenblau zuzuschreiben. Somit scheint die einfache Darreichung des Methylenblau per os oder rectum bei Carcinomen empfohlen werden zu können. Dr. J. Rudisch und ich haben ausser diesem beschriebenen Fall noch zwei andere Fälle von Carcinom im Mount-Sinai-Hospital, die gleichfalls mit Methylenblau behandelt werden; doch ist bei diesen Patienten die Zeit der Behandlung noch zu kurz, um ein Urteil zu gestatten.
1) Vorgetragen bei Gelegenheit einer Diskussion über die Anwendung des Pyoktanin in der Gesellschaft der deutschen Ärzte New-Yorks am 27. Februar 1891.
Dieser ausführliche Artikel, wurde in gekürzter Form für den normalen Hausarzt oder interessierten Laien auch in kürzeren Versionen behandelt. Z. Bsp. als Therapeutische Mitteilungen.
“XI. Therapeutische Mitteilungen.
— Die schmerzstillende Wirkung des Methylenblau bestätigt in No. 18 dieser Wochenschrift Dr. Einhorn, New-York, indem er einen Fall von malignem Tumor im Becken bei einer 40jährigen Frau mittheilt. Einsender hat nun in einem Falle von Carcinom des Pylorus und der Leber bei einem 69jährigen Herrn das Methylenblau in der angegebenen Dosis von 0,2 pro die verabreicht und die schmerzstillende Wirkung gleichfalls beobachtet. Die durch die dünnen Bauchdecken leicht palpable, bei Ankunft des Kranken sehr schmerzhafte und gegen Berührung empfindliche Geschwulst Hess sieb, nachdem 2,4 g des Mittels genommen waren, nach allen Seiten abtasten und drücken, ohne eine Schmerzempfindung hervorzurufen. Auch sonst hatte Patient keine Schmerzen mehr von Seiten der Geschwulst bemerkt, nur litt derselbe zeitweise an heftigen Leibschmerzen, welche auftraten, wenn behufs Erzielung von Stuhlgang ein Abführmittel genommen worden war. Diese hartnäckige Verstopfung rührte wahrscheinlich von einer Stenose des Darmes her, welche durch die Geschwulst bedingt war. Oh diese letztere an Umfang verloren hat, kann Verfasser nicht behaupten, jedenfalls fühlte sich dieselbe fester und derber an. Eine Besserung des Allgemeinbefindens war jedoch nicht zu konstatieren, allerdings hat sich der Kranke der weiteren Beobachtung durch die Abreise entzogen. Verabreicht wurden 13 Dosen 0,2 g anfangs täglich, später nach der 6. Dosis einen Tag über den andern, weil Patient eine leichte Blasenreizung dem Mittel zuschrieb, wovon Verfasser sich jedoch nicht überzeugen konnte. Immerhin scheint auch dieser Fall für die Verabreichung von Anilinfarbstoffen bei den angezogenen Leiden zu sprechen. Lenne (Neuenahr). “
8 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 27, 1891, S. 1177
“Metyhlenblau hat Einhorn (D. Med. Wochenschr. Nr. 9, 1891) bei Cystitis (Anm: Harnblasenentzündung, Blasenentzündung), Pyelitis (Anm: Nierenbeckenentzündung) und Carcinom versucht. Er verabreichte das M. intern in Dosen von 0,2 Gr. 2—3 Mal täglich, der Farbstoff erscheint rasch im Urin und dieser blieb bis zu 3 Wochen unzersetzt. Das Mittel wurde bei Cystitis und Pyelitis mit gutem, bei Phthise9 ohne Erfolg gegeben. Bei einer Patientin mit Carcinom im Abdominalraum hat das per os und per rectum gegebene M, sehr günstig gewirkt. Der Puls besserte sich, Oedeme und Anasarca10 schwanden und die Geschwulst verkleinerte sich.”
11 Berliner klinische Wochenschrift Nr. 43, 1891, S. 1060
“IX. Praktische Notizen. 51. Methylenblau; wird zur Behandlung von Carcinomen nunmehr auch innerlich verwendet. Rudish und Einhorn berichten über eine Patientin mit Carcinoma uteri (Medical record, ref. in Bulletin Medical, No. 50), bei welcher nach dreiwöchentlichem Gebrauch von täglich 0,2 g dieses Mittels (in Kapseln) der Tumor an Umfang abnahm, während die Kachexie, das Anasarka, die Schmerzen schwanden und unter Zunahme des Appetits das Wohlbefinden sich hob. Ein Fall von Magenkrebs und ein Fall von Leberkrebs waren noch zu kurze Zeit in Behandlung, als dass sich jetzt schon Ähnliches über sie berichten ließe.”
Auch heute ist Methylenblau wieder Bestandteil der orthomolekularen Krebstherapieprotokolle.
Wobei man sich auf Paper bezieht, die das Rad eigentlich nur neu erfunden haben.13
Methylenblau alleine wurde bereits 1890 erfolgreich gegen Ovarialcarcinom eingesetzt. Dieses Wissen ist nur in Vergessenheit geraten oder wurde unterdrückt und nicht mehr gelehrt.
Fairer Weise sollten die modernen Autoren nun auch anfangen, die wahren Pioniere der Behandlung von Krebs mit Methylenblau zu zitieren.
Ivermectin und Fenbendazol gegen Krebs?
Ich bekomme immer mehr Anfragen wegen Ivermectin gegen Krebs und wie man da vorgeht.
Rastegar-Pouyani N, Zafari J, Nasirpour A, Vazini H, Najjar N, Azarshin SZ, Javani Jouni F. Methylene Blue-Mediated Photodynamic Therapy in Combination With Doxorubicin: A Novel Approach in the Treatment of HT-29 Colon Cancer Cells. J Lasers Med Sci. 2024 Dec 22;15:e64. doi: 10.34172/jlms.2024.64. PMID: 39949472; PMCID: PMC11822234. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39949472/
da Veiga Moreira J, Schwartz L, Jolicoeur M. In Vitro Methylene Blue and Carboplatin Combination Triggers Ovarian Cancer Cells Death. Int J Mol Sci. 2024 Oct 13;25(20):11005. doi: 10.3390/ijms252011005. PMID: 39456787; PMCID: PMC11507203. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39456787/
Biberoglu K, Yuksel M, Onder S, Tacal O. Effects of toluidine blue O and methylene blue on growth and viability of pancreatic cancer cells. Drug Dev Res. 2022 Jun;83(4):900-909. doi: 10.1002/ddr.21915. Epub 2022 Jan 29. PMID: 35092039. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35092039/
Khorsandi K, Chamani E, Hosseinzadeh G, Hosseinzadeh R. Comparative study of photodynamic activity of methylene blue in the presence of salicylic acid and curcumin phenolic compounds on human breast cancer. Lasers Med Sci. 2019 Mar;34(2):239-246. doi: 10.1007/s10103-018-2571-0. Epub 2018 Jun 30. PMID: 29959633. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29959633/
Merck's 1901 manual of the materia medica : aready-reference pocket book for the practicing physician and surgeon .. : Merck & Co : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive https://archive.org/details/mercks1901manual00merc/page/122/mode/2up
Deutsche medizinische Wochenschrift 1891 17 : Free download, borrow, and streaming : Internet Archive. (2018, August 13). Internet Archive. https://archive.org/details/DeutscheMedizinischeWochenschrift189117/page/n655/mode/2up
Deutsche medizinische Wochenschrift 1891 17 : Free download, borrow, and streaming : Internet Archive. (2018, August 13). Internet Archive. https://archive.org/details/DeutscheMedizinischeWochenschrift189117/page/n871/mode/2up
Als Phthisis oder Phthise bezeichnet man die Schrumpfung bzw. das Schwinden eines Organs oder Gewebes. Der Begriff wurde medizinhistorisch auch zur Bezeichnung der Tuberkulose ("Schwindsucht") verwendet. https://flexikon.doccheck.com/de/Phthisis
Anasarka ist eine starke Schwellung (Ödem) an verschiedenen Stellen des Körpers gleichzeitig. Anasarca: What It Is, Causes & Treatment https://my.clevelandclinic.org/health/diseases/anasarca
#402 - Berliner klinische Wochenschrift v.28:2 1891. - Full View | HathiTrust Digital Library https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc1.c2892572&seq=402&q1=Methylenblau
Baghli I, et al. (2024) Targeting the Mitochondrial-Stem Cell Connection in Cancer Treatment: A Hybrid Orthomolecular Protocol. J Orthomol Med. 39.3 https://isom.ca/article/targeting-the-mitochondrial-stem-cell-connection-in-cancer-treatment-a-hybrid-orthomolecular-protocol/
da Veiga Moreira, J., Nleme, N., Schwartz, L., Leclerc-Desaulniers, K., Carmona, E., Mes-Masson, A. M., and Jolicoeur, M. (2024). “Methylene Blue Metabolic Therapy Restrains In Vivo Ovarian Tumor Growth.” Cancers (Basel). 16(2). https://doi.org/10.3390/cancers16020355.