Methylenblau bei Nierenerkrankungen
Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 28, S. 1234, 1893
Methylenblau wurde auch bei Nierenerkrankungen eingesetzt. Da Methylenblau antiseptisch und antiinflammatorisch ist, kann das durchaus Erfolg gezeigt haben, denn durch die Nieren musste der Farbstoff, um dann über den Urin ausgeschieden zu werden.
“Bright-Krankheit ist eine historische Klassifizierung von Nierenerkrankungen, die in der modernen Medizin als akute oder chronische Nephritis beschrieben werden. Sie war durch Schwellungen und das Vorhandensein von Albumin im Urin gekennzeichnet. Häufig ging sie mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen einher.”1
2 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 28, 1893, S. 1234
“Methylenblau empfiehlt Netschajeff (Deutsche Med. Wochenschr. Nr. 20, 1893) bei Morbus Brightii. Er gibt das Mittel innerlich in Oblaten 0.1 Gr. 3 Mal täglich, und setzt es jeden zweiten Tag aus. Gewöhnlich wird der Harn schon 1 Stunde nach Aufnahme des ersten Pulvers blau gefärbt. Bereits am zweiten Tage tritt Polyurie auf, Eiweiss und Cylinder verschwinden nach kurzer Zeit. Methylenblau ist kein diuretisches Mittel im gewöhnlichen Sinne des Wortes, denn es wirkt bei Kompensationsstörungen infolge von Darmleiden und bei Leberschrumpfung nicht diuretisch. Die Wirkung des Mittels bei Morbus Brightii erklärt N. dahin, dass es auf den spezifischen Mikroorganismus in der Niere (Mannaberg, Centralbl, f. klin. Med. Nr. 30, 1883) einwirkt.”
Albuminurenie heißt, dass im Urin Albumin ist.
“Albumine (lateinisch albus ‚weiß‘) gehören wie die Globuline zur Gruppe der globulären Proteine. Albumin sorgt im menschlichen Organismus vor allem für Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks und vermittelt vielen sonst wasserunlöslichen Stoffen Wasserlöslichkeit, indem sie an Albumin gebunden werden. Albumine sind auch in Milch, Eiern und Weizen zu finden.”
Albuminurenie ist also Eiweiß im Urin.
Albuminurenie ist ein Zeichen einer chronischen Nierenerkrankung.3
4 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 42, 1897, S. 1955
“Lemoine fand, dass man die Albuminurie beim M. Brighti durch tägliche Gaben von 0.2—0.5 g Methylenblauvollkommen zum Schwinden bringen könne. Das durch das Mittel erzeugte Brennen beim Harnlassen wird durch Beigabe von Muskatnuss sicher vermieden.“
5 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 29, 1900, S. 1431
“Die Permeabilität der Niere beim Abdominaltyphus.
Von Reynaud und Olivier (Bull. med. 1899, p903). — Um die Durchlässigkeit des Nierenfilters zu untersuchen, wurde nach dem Vorschlage von Achard und Gasdaigne 1 cm³ 5perc. Methylenblaulösung subkutan injiziert und der Harn in 1/2 stündlichen Intervallen untersucht. Die Untersuchungen wurden sowohl im ersten Beginne, als auch während der Akme der Krankheit und in der Rekonvaleszenz vorgenommen. Besonders während der Akme (Gipfel, Höhepunkt) und in der Rekonvaleszenz wurden häufige Störungen in der Durchlässigkeit der Niere gegenüber dem Methylenblau konstatiert. Die Störungen in der Ausscheidung des Farbstoffes scheinen von bestehender Albuminurie unabhängig zu sein. Von 14 mit Albuminurie behafteten Kranken zeigten 8 normales Verhalten, während von 30 kein Eiweiß ausscheidenden Patienten 10 keine gestörte Ausscheidung darboten. Die Ausscheidungsfähigkeit der Nieren für Methylenblau ist von andersartigen Veränderungen in der Niere unabhängig und dürfte nach Bard als Ausdruck etwaiger Veränderungen des Epithels von Bedeutung sein. Bei interner Verabreichung des Methylenblau in Kapseln zu 0,05 g kommen neben dem Zustande der Nieren auch die Verhältnisse der Resorption im Magen-Darmtrakt in Betracht. Bei beginnendem Typhus gaben beide Untersuchungsmethoden die gleichen Resultate, in der Akme der Krankheit zeigte sich bei 10 von 17 Fällen keine Differenz. 5 Mal war im Hinblick auf die subkutane Injektion die Ausscheidung um 2,5, Stunden retardiert, der Harn sehr blass. 9 Mal trat kein Methylenblau in den Urin über. In der Rekonvaleszenz zeigten 2 Fälle keine Differenz, die übrigen 4 eine Retardation von 2, 6 bis 10 Stunden. Daraus folgt, dass im Typhus oft eine erhebliche Verlangsamung der Resorption statt hat und sich daher für die Applikation differenter Mittel der Weg der subkutanen Injektion empfiehlt.”
Der sehr blasse Urin, den man sich damals nicht erklären konnte, liegt daran, dass das Methylenblau zum alkalisieren verwendet wird und komplett aufgebraucht war. Das erklärt auch, warum einige der Patienten keinen Ausscheidung zeigten, sie haben das Methylenblau komplett verbraucht. Heute erklärbar, damals wurde nur beobachtet und beschrieben.
6 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 36, 1900, 1720f
“Widal (Soc. des höp., 2. Februar) konnte konstatieren, dass ein bestimmter Zusammenhang zwischen der Schwere bestehender Nierenerkrankung oder dem Auftreten von Urämie und der Ausscheidung von Methylenblau nicht existiert. Im allgemeinen wird dasselbe bei interstitieller Nephritis langsamer eliminiert. Achard empfiehlt beim Studium der Durchlässigkeit der Niere mit Hilfe des Methylenblau die Beobachtung der Zeitdauer der Ausscheidung und die Bestimmung der Menge von Farbstoff, welche ausgeschieden wird. Protrahierte Ausscheidung deutet auf eine Verminderung des funktionstüchtigen Nierenparenchyms. Die Störungen in der Permeabilität der Niere erklären aber nicht alle Symptome der Nephritis. Bei der interstitiellen Nephritis kann bei gutem Wohlbefinden der Kranken die Ausscheidung des Methylenblau erheblich herabgesetzt sein. Merklen meint, dass die Untersuchung der Nierendurchlässigkeit unter Zuhilfenahme des Methylenblau kaum allgemein eingeführt werden kann. Bei M. Brighti sei die Herabminderung der Harnstoffausscheidung prognostisch sehr ungünstig. Petit berichtet über zwei Fälle von subakutem traumatischem Tetanus, die durch Injektion von Tetanusantitoxin und hohe Chlorabgaben, 12—18 g täglich, geheilt wurden. Bei dem einen Patienten wurden innerhalb von 21 Tagen 540 cm, bei dem zweiten in 17 Tagen 500 cm³ Serum injiziert. Vaquez (Soc. des hep., 9. Februar) bespricht die zur Feststellung der Nierenfunktion derzeit üblichen Methoden; dieselben basieren: 1. auf der chemischen Untersuchung des Harnes, 2. auf der Untersuchung seiner Toxizität, 3. auf der Feststellung der Durchlässigkeit der Nieren für Methylenblau, 4. auf der Feststellung des kryoskopischen Verhaltens. Die Bestimmung des Harnstoffgehaltes des Harnes, der Ausscheidungsverhältnisse der Mineralbestandteile, speziell der Phosphate hat bei Nephritis eine prognostische Bedeutung, indem eine Herabsetzung der Werte auf eine Verschlimmerung des Leidens hinweist. Die Resultate der Bestimmung der Giftigkeit des Harnes sind deshalb nicht zuverlässig, weil bei derselben die durch die verschiedene Konzentration der injizierten Flüssigkeiten bedingten Erscheinungen, die unabhängig von deren Giftgehalte sind, sich nicht genau eliminieren lassen. Die Durchlässigkeit der Niere für Methylenblau gestattet keine prognostisch verwertbaren Schlüsse. Trotz normalen Verhaltens kann Urämie eintreten. Die kryoskopischen Methoden sind noch zu wenig durchgearbeitet, um verwertbare Schlussfolgerungen zu gestatten.“
Wikipedia contributors. (2025c, May 25). Bright’s disease. Wikipedia. https://en.wikipedia.org/wiki/Bright's_disease
Albuminurie - DocCheck Flexikon https://flexikon.doccheck.com/de/Albuminurie