Methylenblau gegen Zyankali- und CO-Vergiftung
Wie viele Menschen haben sich damals mit Zyankali vergiftet?
1933 ist es wieder einmal so weit und eine Sensationsmeldung zu Methylenblau taucht wortwörtlich in diversen Zeitungen auf.
Diesmal Methylenblau gegen Zyankalivergiftung.
“Zyankali verliert seine Schrecken”
Wie viele Menschen haben sich damals mit Zyankali vergiftet? War das damals ein Volkssport, dass das so durch die Blätter rauschte?
Die Meldungen basieren wahrscheinlich auf dieser Jama Korrespondenz.1
Darin steht aber klar, dass das Verfahren an und für sich bereits 1926 von Sahlin of Lund publiziert wurde und von Eddy in Michigan schon seit 1930 etabliert ist.
Groß veröffentlicht und auch mit dem Hinweis, dass es bei Kohlenmomoxidvergiftung auch funktioniert, wurde es dann 1936 von Matilda Moldenhauer Brooks: “Methylenblau als Gegenmittel bei Vergiftungen mit Cyanid und Kohlenmonoxid”2 .
Ich weiß nicht genau, warum Cyanidvergiftungen damals so ein heißes Thema waren, auch Agatha Christie schrieb 1945 den Roman “Sparkling Cyanide”, es ist nur auffällig, dass dieser Artikel über Methylenblau gegen Cyanidvergiftung 1933 wortwörtlich in diversen Zeitungen nahezu zeitgleich auftaucht.
ABER mit einem kleinen Dreh, der sehr intelligent ist und auch später in der Publikation von Brooks bestätigt wird:
Zyankali bindet an rote Blutzellen.
Methylenblau behebt das.
Kohlenmonoxid bindet auch an rote Blutzellen, das hat Warburg gezeigt.
Kann Methylenblau das auch beheben?
CO-Vergiftung war durchaus ein Problem für normale Menschen, die mit Kohle heizen, ein deutlich häufigeres Problem als eine Zyankalivergiftung, die wohl eher in den gehobenen Kreisen von Bedeutung war. Methylenblau ist auch heute noch das Gegenmittel bei Methämoglobinämie.3
Im Übrigen auch bei Schweinen mit Methämoglobinämie.4
Interessant ist, wie schnell das Mittel in den Zeitungen zur Entwicklung eines Österreichischen Arztes wird. Wissenschaftliche Korrektheit muss damals sehr schnell hinter Nationalismus zurücktreten. Eigentlich beschreibt keiner der Zeitungsausschnitte die Entwicklung und Herkunft der Therapie korrekt. Zu diesem Zweck sollte man auf die Jama Korrespondenz zurückgreifen.
Die Grundaussage jedoch, dass man mit Methylenblau Methämoglobinämie behandeln kann, ist in allen Artikeln soweit korrekt erklärt. Der praktische Aspekt passt somit.
“Methylenblau findet seine Hauptanwendung in der Toxikologie bei der Behandlung von Methämoglobinämie in einer Dosis von 1 bis 2 mg/kg intravenös. Durch die Wechselwirkung mit Methämoglobin und den Enzymsystemen der Erythrozyten, wodurch es zu einer Rückbildung zu Hämoglobin kommt, ist Methylenblau ein allgemein sicheres Medikament mit dosisabhängigen hämolytischen Wirkungen. Personen mit G-6-PD-Mangel sowie Patienten, die Anilinfarbstoffen und Dapson ausgesetzt sind, können bei der Behandlung von Methämoglobinämie besondere Risiken aufweisen.”5
1933
7 Grazer Volksblatt Nr. 66, April 1933, S. 5
“Zyankali verliert seine Schrecken.
Zyankali ist ein starkes und außerordentlich schnell wirkendes Gift. Seine Wirkung beruht auf seiner Verbindungsfähigkeit mit den roten Blutkörperchen. ‘Der vorjährige Nobelpreisträger für Chemie, Otto Warburg, hat nun die Entdeckung gemacht, dass man die Verbindung Blausäure - rotes Blutkörperchen (Zyankali ist ein Salz der Blausäure) durch einen Farbstoff, das Methylenblau, wieder lösen kann. Diese wissenschaftliche Feststellung hat fest in den Händen eines amerikanischen Forschers eine praktisch ungemein wertvolle Anwendung gefunden: Einem durch eine tödliche Menge Zyankali Vergifteten, der bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde eine Lösung von Methylenblau eingespritzt. Nach fünfzehn Minuten war der Mann wieder zum Leben erweckt. Man glaubt, dass dieses Verfahren auch bei Kohlenoxydgasvergiftungen mit Erfolg benutzt werden könnte.”
8 Salzburger Chronik für Stadt und Land Nr. 96, 25. April 1933, S. 2
9 Innviertler Volkszeitung 53. Jahrgang, Nr. 17, April 1933, S.34
10 Linzer Tages-Post Nr. 98, 27. April 1933, S. 4
Am differenziertesten und sachlich informativsten (aus meiner Sicht) ist diese Meldung, die etwas später, wohl auch nach ein wenig Recherche, erschien.
11 Der Wiener Tag Nr. 3609, 7. Juni 1933, S. 4
“Zyankalivergiftung = ungefährlich
Die amerikanischen Pharmakologen Hanzlick und Leake haben auf Grund früherer Beobachtungen von Professor Otto Warburg - Warburg ist bekanntlich Jude und Nobel-Preis-Träger, er lebt und wirkt in Berlin, man weiß allerdings nicht, was das gleichgeschaltete Deutschland mit ihm gemacht hat, eine Theorie über die Wirkung von Farbstoffen bei Vergiftungen aufgestellt. Auf Grund dieser Untersuchungen ist es nun einem Dr. Geiger in San Franzisko nach einem Bericht der „Chemiker-Zeitung“ gelungen, einen offenbar hoffnungslos mit Zyankali Vergifteten zu retten. Es wurde eine intravenöse Einspritzung von Methylenblau gemacht, die den als bereits verloren Betrachteten in 15 Minuten wiederherstellte. Bisher verliefen Zyankalivergiftungen ausnahmslos tödlich, so dass die von dem berühmten Krebsforscher Warburg inaugurierten Forschungen einen höchst bedeutsamen Fortschritt bedeuten.“
Die Korrespondenz von Hanzlick in JAMA hat der Autor aber mit Sicherheit nicht gelesen.
Dieser Artikel ist zudem auch eindeutig politisch gefärbt und die Informationen über die Anwendung bei CO-Vergiftung fehlen komplett.
Schon damals arbeiteten Journalisten nicht so wirklich sauber und gründlich oder haben einfach in anderen medizinischen Zeitungen abgeschrieben, die schlecht recherchiert haben, oder bei jemandem abgeschrieben haben, den sie zitiert haben, der schlecht recherchiert hatte.
12 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 16, 1933, S. 458
“Die amerikanischen Pharmakologen Hanzlick und Leake haben auf Grund der Vorarbeiten von Otto Warburg eine Theorie über die antitoxische Wirkung von Farbstoffen aufgestellt. Auf Grund dieser Untersuchungen ist es Dr. Geiger in San Francisco gelungen, einen mit Zyankalium Vergifteten zu retten. Es wurde eine intravenöse Einspritzung von Methylenblaugemacht, die den als verloren Betrachteten in 15 Minuten wiederherstellte. (Münchner Mediz. Wochenschr., Nr. 22, 1933.)”
Das steht so definitiv nicht in der JAMA Korrespondenz!
Wie auch immer.
Die Informationen sind insoweit korrekt, dass Methylenblau sowohl bei Zyankalivergiftung als auch bei Kohlenmonoxidvergiftung funktioniert, das wird durch die noch immer Verwendung des Mittels für exakt diesen Zweck belegt.
1934
1934 verändert sich der Schwerpunkt wie über die Anwendung von Methylenblau bei Methämoglobinämie in eher alltagstaugliche Berichterstattung für die normalen Menschen. Grund war der Vortrag eines Arztes, der das Thema didaktisch reduziert hat, so dass die Presse endlich verstanden hat, worum es wirklich geht.
13 Neues Wiener Journal Nr. 14419,13. Januar 1934, S. 6
“Ende des Leuchgastodes ?
In der gestrigen Sitzung der Wiener Gesellschaft der Ärzte mache der bekannte Internist Professor Felix Deutsh interessante Mitteilungen über eine neuartige Behandlung von Leuchtgasvergiftungen. Bei einem Dutzend von Vergiftungen mit Leuchtgas, die an das Child-Spital durch die Rettungsgesellschaft eingeliefert wurden, handelte es sich um ausnahmslos schwere Vergiftungen mit völliger Bewusstseinsstörung und tiefgreifenden Schädigungen des Nervensystems, bei vollständiger Reflexlosigkeit.
Methylenblau rettet Todgeweihte.
Bei allen Patienten wurde von der Anwendung der sonst üblichen Behandlungsmethoden, wie Zufuhr von Sauerstoff und Kohlensäure, künstlicher Atmung und verschiedenen Injektionen, abgesehen. Die Patienten wurden ausnahmslos mit dem neuen Mittel, mit Methylenblau und einer Zuckerlösung, behandelt. Methylenblau hat bekanntermaßen die Eigenschaft, die Oxyde in Leukobasen Überzuführen. Die Vergifteten erhalten zehn Kubikzentimeter einer halbprozentigen Methylenblaulösung und eine zehnprozentige Zuckerlösung, die ebenfalls den Abbau der Oxydation zu steigern vermag.
Vergiftete erwachen.
Schlagartig erfolgt nach Injektion dieser Präparate tiefe Atmung, es kehren die Reflexe wieder. In nicht sehr schweren Fällen kommt es rasch zur Aufhellung des Bewusstseins und die Patienten erholen sich sehr schnell. Nach Mitteilung des Vortragenden kann diese neue wirksame Behandlungsmethode bei Vergiftungen mit den verschiedensten erstickenden Gasen, wie Leucht- und Sickergas und Kohlenoxyd, angewendet werden. Wenn die Nachprüfung an anderen Stellen gleich günstige Resultate ergeben sollte, wäre dem täglichen schrecklichen Massensterben durch Leuchtgas Einhalt geboten.
Einen imponierenden Eindruck machten die Demonstrationen des Primarius Dr. Böhler aus dem Arbeiterunfallkrankenhaus, der eine Reihe von seltenen und eigenartigen geheilten Wirbelsäulenbrüchen vorstellte. Er konnte in mehreren Fällen zeigen, dass selbst bei den seltenen Brüchen von Wirbelkörperfortsätzen, die Reposition und damit die Bewahrung des Patienten vor dem dauernden Krüppeltum gelingt.
Neues über Infektion.
Den größten Teil der gestrigen Sitzung der Ärztegesellschaft füllte ein großangelegter Vortrag des hervorragenden Klinikers Professor Hans Eppinger über Intoxikation und Infektion aus. Als Resultat seiner mehrjährigen Forschungen, die er insbesondere über das eigentliche Agens bei den Nahrungsmittelvergiftungen, anstellte, vergab sich ihm die Tatsache, dass weniger die Mikroorganismen selbst die schweren akuten Krankheitszustände herbeiführen, wenn sie in den Körper eindringen, sondern dass es irgendwelche Stoffwechselprodukte der Bazillen sein müssen, die ihr Unwesen in dem Organismus treiben. Als solche toxische Produkte will er niedrig gebaute, ungesättigte Stoffe aus der Aminogruppe gefunden haben, deren Toxologie außerordentlich schwierig ist, weil es sich um sehr flüchtige Stoffe handelt. Immer gelingt es mit diesen Aminoabkömmlingen die gleichen Krankheitszustände im Tierversuch, herbeizuführen, wie sie durch die akute Nahrungsmittelvergiftung entstehen.”
14 Pester Lloyd, Freitag 26. Januar 1934, S. 6
“Rettung vor Leuchtgastod. Viele der durch das Leuchtgas verursachten Todesfälle sind Unglücke und auch bei Selbstmorden sind die Selbstmörder, wenn ihre Rettung gelingt, in den allermeisten Fällen sehr froh und ihren Helfern dankbar. Doch oft kommt jeder Versuch, die längere Zeit in der Leuchtgasatmosphäre Gelegenen zu retten, zu spät. Auch sind die Mittel, die bisher zur Verfügung standen, nicht gerade sehr viele gewesen. Zufuhr von frischer Luft oder von Sauerstoff, zur Anregung der Atmung, auch Kohlensäure und die Injektion von Herzmitteln, Den Ärzten Doz. Deutsch und Dr. Weiß in Prag gelang es nun, von ganz anderen Grundsätzen ausgehend, ein Mittel zu finden, das sich bei bisher zwölf Fällen, die alle viele Stunden in dem giftigen Gas gelegen hatten, ausgezeichnet bewährt hat. Bei der Einatmung von Leuchtgas anstatt von Luft, verbindet sich der Farbstoff der roten Blutkörperchen, das Hämoglobin, mit dem giftigen Kohlenmonoxid des Leuchtgases. Durch diese Bindung ist das Hämoglobin, das sonst den Transport des Sauerstoffes zu den Geweben, und damit die innere Atmung zu besorgen hatte, außerstande, dieser seiner Funktion weiter nachzukommen. und es kommt zur Erstickung der Gewebe. Sehr schön war dies an an einem geretteten. Patienten zu sehen, der viele Stunden im Gas gewesen war und bei dem die Erstickung der Gewebe zu einem riesigen Geschwür am Unterschenkel geführt hatte, da sich, die abgestorbenen, erstickten Teile abstießen. Der Patient hatte zu seiner Rettung eine Injektion von Methylenblau und Zucker erhalten. In zahlreichen Tierversuchen konnten die Forscher nämlich feststellen, dass durch Methylenblau, einen blauen Farbstoff, die Zellatmung mächtiger angeregt wird, was der zugesetzte Zucker noch unterstützt. Das Mittel besteht aus einer einprozentigen Lösung von Methylenblau und einem Zusatz von 10 Prozent Zucker. Es wird den schwer bewusstlosen Kranken in die Vene eingespritzt. Kurz nachdem machen sie einen tiefen Atemzug, schlagen die Augen auf und kommen nach wenigen Minuten zu sich. Durch den Farbstoff wurden nämlich alle Körperzellen zu einer mächtigen Atmung angeregt, so dass das giftige Gas schnell ausgeschieden wird und es wieder zur normalen Atmung kommt. Durch das schnelle Erwachen aus der Bewusstlosigkeit wird auch die Gefahr der Lungenentzündung sehr vermindert, die früher das Leben vieler noch Geretteter ernsthaft bedrohte. Die neue Methode ist nicht nur bei Leuchtgasvergiftungen anwendbar, sondern auch bei bestimmten Kampfgasen und bei Vergiftungen mit den Auspuffgasen der Automobile. Diese waren bisher nur in Amerika bekannt. Sie treten vor allem bei Menschen auf, die in Garagen schlafen und dann dort am Morgen bewusstlos aufgefunden werden. Das neue Mittel stellt eine wertvolle Bereicherung unseres Arzneischatzes im Kampfe gegen Giftgase dar.”
15 Wiener Neueste Nachrichten, 5. September 1934, S. 8
“Blau gegen Gift und Gas
An einigen deutschen Kliniken beginnen soeben Versuche mit einem neuen Lebensretter. In jahrelanger Forschungsarbeit ist man zu der sensationellen Vermutung gelangt, dass einzelne Farbstoffe die Fähigkeit besitzen, die Krankheitserscheinungen Vergifteter zu mildern, wenn nicht zu heilen.
1932 lief durch die amerikanische Presse die groß aufgemachte Meldung, dass es gelungen sei, durch Einspritzungen von Methylenblau schon Totgeglaubte wieder zum Leben zu erwecken. Die deutsche Wissenschaft stand diesen Schlagzeilen recht skeptisch gegenüber und wartete die genauen Berichte ab. Dann erschien die erste Mitteilung von Prof. Brooks, San Francisco. Sie enthielt zwar nicht gerade das, was die Zeitungen verkündet hatten, für den Mediziner aber waren diese ernsten wissenschaftlichen Resultate beinahe noch sensationeller als die Zeitungsmeldungen! Ratten, die mit Blausäure und Kohlendioxid vergiftet waren, wurden mit Methylenblaube handelt. Brooks spritzte Lösung, die bisher immer nur als zum Färben von Kleidern und ähnlichen Zwecken verwandt worden war, in die Adern der Tiere — sie erholten sich!
Tote Tiere stehen auf!
Der dieses erstaunliche Resultat ermutigt, ging Brooks weiter. Gemeinsam mit Mathilda Moldenhauer versucht er, Kaninchen, die ein zehnprozentiges Kohlenoxyd-Luftgasgemisch eingeatmet, also eine tödliche Leuchtgasvergiftung hatten, zu retten. Viereinhalb Minuten nach der Vergiftung trat bei 39 Prozent der Tiere Atemstillstand ein. Diese Tiere waren nicht mit dem Farbstoff behandelt. Diejenigen aber, denen Methylenblau injiziert war, konnten fast die doppelte Zeitspanne dem tödlichen Gas ausgeseztz werden, ohne zugrunde zu gehen!
Methylenblau als Lebensretter
Doch auch schon Brooks erkannte, dass die Hauptbedeutung dieser Erkenntnis nicht beim Schutz vor Vergiftung, sondern in der Rettung Vergifteter liegen würde. Wird sich der Farbstoff hier bewähren? 25 mit Gas vergiftete Kaninchen liegen scheinbar tot da. Mit allen Mitteln, die dem Arzt je Wiederbelebung zur Verfügung stehen, versucht man, je zu retten. Es gelingt, 20 Prozent der sterbenden Tiere am Leben zu erhalten. Nun versucht man die Rettung an anderen ebenso vergifteten Kaninchen mit dem Farbstoff. Den Tieren, deren Atmung schon aufgehört hat, wird eine frischbereitete, körperwarme Methylenlösung injiziert. 92 Prozent konnten gerettet werden. Die ersten Versuche bereits zeigten also das geradezu überwältigende Resultat, dass da, wo von 100 Gasvergifteten bisher 80 dem Tode geweiht waren, nun nur mehr acht rettungslose Fälle zu verzeichnen waren!
Der nächste, Schritt bestand in Untersuchungen, wie lange neach einer Vergiftung eine Heilbehandlung mit dem Farbstoff noch Aussichten auf Erfolg hat. Christopherson machte seine Versuche an schwer Kohlenmonoxydvergifteten. Er behandelte sie zunächst nach den üblichen Rettungsmethoden. Dennoch hielt auch nach Verlauf einer Stunde die tiefe Bewusstlosigkeit bei den meisten an. Daraufhin erhielten sie eine Einspritzung von 50 Kubikzentimeter einprozentiger Methylenblaulösung.
Noch ehe der Arzt diese Einspritzung völlig beendet hatte, schlugen die Patienten die Augen wieder auf, sie waren gerettet!
Nun begannen einige Kliniken, systematisch dieses neue Lebensrettungsmittel zu verwenden; dabei gelangte man zu dem einwandfreien Resultat, dass bei schweren Leuchtgasvergiftungen Methylenblau in Verbindung mit Zucker eine unmittelbar lebensrettende Wirkung hat! Auch bei anderen Vergiftungen, so bei Blausäure, sind Erfolge erzielt.
Wird auch in Deutschland mit Methylenblau behandelt werden?
Mit größtem Interesse hat die deutsche Wissenschaft den Gang dieser Forschungen verfolgt. Man hat zunächst dieses Mittel nur in jenen Fällen angewertet, die tatsächlich als völlig hoffnungslos zu bezeichnen waren. Nachdem aber vor allem die völlige Harmlosigkeit dieses Farbstoffes festgestellt ist, wird nun in Erwägung gezogen, dies auch in der deutschen Heilbehandlung einzuführen. Für den Laien sind die bisherigen Resultate schon bestechend, bedeuten sie doch scheinbar nichts anderes als die Entdeckung eines Mittels, durch das Tausende von Menschen, die durch Gas oder andere Gifte rettungslos verloren schienen, nun am Leben erhalten bleiben können! Für den Wissenschaftler und vor allem für die deutschen Forscher, die sich jetzt diesem neuen Gebiet zugewandt haben, bedeutet das jedoch nur einen Anfang. Zahlreiche neue Fragen tauchen damit auf, allen voran die eine:
haben vielleicht an andere Chemikalien, die bisher nur als Farbstoffe verwandt wurden, heilende Einflüsse auf den Menschen?
Wir wollen der Arbeit deutscher Forscher nicht vorgreifen. Aber mit größtem Interesse können die Ergebnisse erwartet werden, die nun deutsche Wissenschaft aus diesen Kenntnissen erringt Peter Engelmann.“
Der Artikel mutet etwas seltsam an auf dem Hintergrund, dass Methylenbleu zu dem Zeitpunkt schon über 40 Jahre erfolgreich intravenös bei diversen Krankheiten eingesetzt wurde.
16 Wiener Sonntags-Zeitung Nr. 44, 29. Oktober 1934, S. 8
“Auferstehung vom Gastode
Die Wiener Rettungsgesellschaft wird dieser Tage ein neues Verfahren obligatorisch einführen, die dem Arzt die Möglichkeit bietet, Gasvergiftete, die früher rettungslos verloren gewesen wären, dem Leben wiederzugeben. Wir hatten Gelegenheit, mit dem Entwecker des Verfahrens, dem Dozenten Dr. Felix Deutsch über diese sensationelle Wendung in der Gasvergiftungs-Therapie eine Unterredung zu führen.
Eine epochale Entdeckung wird bei der Rettungsgesellschaft eingeführt
„Ich habe mein Präparat bereits vor längerer Zeit fertiggestellt und wartete nur auf Gelegenheit, es bei zahlreichen Patienten, die der ersten Hilfe bedürfen, auszuprobieren“, erzählt Dr. Deutsch. „Aus diesem Grunde wendete ich mich an die Wiener Rettungsgesellschaft, die nach einem genauen Studium des Mittels die Erlaubnis erteilte, Gasvergiftete gleich nach ihrer Auffindung damit zu behandeln. Diese Versuche sind tatsächlich sehr erfolgreich ausgefallen, so dass heute in Fällen, in denen der Gasvergiftete früher rettungslos gestorben wäre, eine Heilung möglich ist. Es handelt sich um ein Methylenblau-Präparat, das dem Patienten gleich nach seiner Auffindung und nach Stellung der Diagnose auf Gasvergiftung injiziert wird. Da in einer Großstadt wie Wien teils Unfälle, teils Selbstmordversuche mit Leuchtgas auf der Tagesordnung sind, ist der neuen Therapie eine besondere Wichtigkeit nicht abzusprechen.“ Soweit der Entdeker. Wie wir von der Rettungsgesellschaft erfahren, sind die erfolgreichen Versuche mit dem neuen Verfahren als abgeschlossen zu betrachten. Die Methylenblau-Injektionen haben sich so bewährt, das man von einer neuen Epoche auf dem Gebiete der Behandlung der Gasvergifteten sprechen kann. In ganz kurzer Zeit wird das Verfahren bei der Rettungsgesellschhaft obligatorisch eingeführt werden, wodurch jährlich Hunderten, die bisher der Gasvergiftung erlegen sind, das Leben gerettet werden kann. Auch in den Spitälern, besonders in den Unfallstationen, wird das neue Mittel und das vom Dozenten Dr. Deutsch beschriebene Verfahren mit dem größten Erfolg angewendet. Es zeigt sich, dass die Heilung nicht nur unmittelbar nach der Auffindung des Vergifteten, sondern auch nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus erfolgen kann.”
17 Linzer Tages-Post N. 254, November 1934, S. 4
”Ein Heilmittel gegen Leuchtgasvergiftung.
Seit einiger Zeit wird in den Wiener Universitätskliniken, bei der Rettungsgesellschaft und in den großen Krankenhäusern ein neues Heilmittel gegen Leuchtgasvergiftungen verwendet. Bisher bestanden die therapeutischen Maßnahmen hauptsächlich in einer Kohlensäure-Sauerstoffinhalation, in der Verabreichung herzstärkender und pulsbeschleunigender Mittel sowie in der künstlichen Atmung. Die Kohlensäureinhalation wirkt anregend auf das Atmungszentrum und fördert somit die Sauerstoffaufnahme, die Mischung von Kohlensäure und Sauerstoff wird nach der Schwere des Unfalls vollzogen. Den Kern des neuen Heilverfahrens, das vor einigen Jahren zuerst in Amerika angewendet und später auch in Frankreich eingeführt wurde, bildet, wie die „Rp.“ meldet, ein besonderes Präparat aus Methylenblau, das dem Vergifteten intravenös eingespritzt wird. Die Injektion bewirkt eine stark gesteigerte Zellenatmung (innere Atmung); die Zellen werden durch das Mittel instandgesetzt, den in den Geweben vorhandenen Sauerstoff in die Blutbahn einzuführen, wodurch die tödliche Erstickgefahr vermindert wird. Das Mittel wirkt auch bei den übrigen Vergiftungen, in denen die Todesgefahr durch den Sauerstoffentzug entsteht. Die Erfolge haben zum Teil selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen. In manchen Fällen erwachte schon nach einer einzigen Injektion der Verunglückte plötzlich wie aus tiefem Schlafe auf. Sogar bei Vergifteten, die sonst rettungslos gestorben wären, trat bei der Anwendung des Methylenblaupräparates vollkommene Heilung ein. Bei der großen Zahl der Leuchtgasunfälle und Selbstmordversuche durch Öffnen des Gashahnes in allen Großstädten kommt dem neuen Heilmittel eine zeittragende Bedeutung zu. Das Präparat wurde bisher allerdings immer im Zusammenhang mit den übrigen therapeutischen Maßnahmen angewendet, wodurch die Wirksamkeit des neuen Heilmittels nicht isoliert beobachtet werden konnte.”
Das Niveau dieses Artikel ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass er für normale Menschen gedacht war. Ich bin mir nicht sicher, ob heutige normale Leser damit nicht überfordert wären.
18 Reichspost N. 306, 3. November 1934, S.4
Text identisch zu Linzer Tages-Post N. 254, November 1934, S. 4
19 Vorarlberger Landes-Zeitung Nr. 257, 8. November 1934, S. 7
Text identisch zu Linzer Tages-Post N. 254, November 1934, S. 4 mit Kürzung der letzten 2 Sätze, möglicherweise aus Platzgründen, weil der Artikel so genau bis zum Ende der Seite reichte.
20 Neuigkeits-Welt-Blatt Nr. 265, 17. November 1934, S. 9
“Lebensrettendes Methylenblau.
Methylenblaulösungen wurden in der Medizin bisher lediglich zur Färbung mikroskopischer Präparate benutzt. Neuerdings hat man festgestellt, dass dieser Farbstoff eine außerordentliche Heilkraft bei verschiedenen Vergiftungen besitzt. Im Jahr 1932 wurden in Amerika die ersten Tierversuche bei Blausäure und Kohlenoxydvergiftungen erfolgreich durchgeführt. Jetzt aber besagen wissenschaftliche Mitteilungen, dass auch Versuche mit kranken Menschen zu vollem Erfolg führten. Bei schweren Kohlenoxydvergiftungen, bei denen alle anderen Mittel, wie Sauerstoffeinatmungen, versagten, wurden Einspritzungen einer einprozentigen Lösung in die Blutbahn vorgenommen und schon während der Einspritzung kehrte das Bewusstsein zurück.“
Es ist etwas irritierend, dass man auch in dieser Zeitung die alten Anwendungen von Methylenblau bereits nicht mehr zu kennen scheint.
21 Wiener Neueste Nachrichten, 2. Dezember 1934, S. 8
“Farbstoff als Lebensreiter
Von einem Wiener Forscher ist ein höchst bemerkenswertes Verfahren mitgeteilt worden, durch das es gelingt, nach schweren Blutverlusten und Vergiftungen, den Körperzellen in kürzester Zeit neuen Sauerstoff zuzuführen.
Unter normalen Bedingungen wird der für das Leben der Zellen unentbehrliche Sauerstoff durch die roten Blutkörperchen allen Körpergeweben zugeführt. Werden die roten Blutkörperchen, etwa durch eine Gasvergiftung, so verändert, dass sie keinen Sauerstoff mehr aufnehmen können, so gerät der Körper in Gefahr, innerlich zu ersticken. Durch Einspritzung eines blauen Farbstoffes, Methylenblau, der Sauerstoff in fester Bindung enthält, soll es gelingen, diesem Mangel abzuhelfen. Das Methylenblau färbt die Körperzellen, vor allem die lebenswichtigen Zellkerne, sehr stark und gibt dabei seinen Sauerstoff ab. Durch den Sauerstoffverlust wird der Farbstoff ausgebleicht. Wie der Gesundheitsdienst der Lebensversicherung mitteilt, hat in Wien die Rettungsgesellschaft die Verfügung getroffen, dass während des Transportes Gasvergifteter ins Krankenhaus die Einspritzung von Methylenblau schon im Rettungswagen erfolgt. Dieses höchst einfache Verfahren soll sich mehrfach bei Menschen, die durch Leuchtgas oder andere Giftstoffe in ihrer inneren Atmung schwer geschädigt waren, bewährt haben.”
22 Innsbrucker Nachrichten Nr. 281, 6. Dezember 1934, S. 4
Text identisch zu Wiener Neueste Nachrichten, 2. Dezember 1934, S. 8
23 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 4, 1934, S. 107
”Herr F. Deutsch berichtet unter Demonstration einer Patientin über die Behandlung von Gasvergiftungen mit Chromosmon. Die vorgestellte Pat. zeigt ein sehr großes Ulcus des linken Unterschenkels: Ausdruck der schweren Zirkulationsstörung infolge der Vergiftung. Nach diesem Verfahren wurden 13 Patienten im Childs-Spital behandelt, bei denen nach der Meinung der Ärzte der Rettungsgesellschaft keine Aussicht auf Erhaltung des Lebens bestand. Alle Patienten wiesen Bewusstlosigkeit, Reflexlosigkeit und schwerste Zirkulationsstörungen auf. Chromosmon ist eine auf Veranlassung des Vortragenden hergestellte 1 prozentige Methylenblaulösung mit 10 Prozent Traubenzucker. Das wirksame Agens ist das Methylenblau, das in den Oxydo-Reduktionsprozess eingreift und die Sauerstoffübertragung mittels des Hämineisens (Wechsel von Fe II und Fe III) sehr stark fördert, ein Prozess, der von Kohlenoxyd nicht gestört wird. Auf die Förderung der Gewebsatmung durch Methylenblau haben zuerst Warburg und Thunberg hingewiesen. Der Verwendung am Menschen gingen natürlich Tierversuche voraus. Die Heildosis beträgt 10 cm³. Die Wirkung tritt sofort ein. Die amerikanische Literatur enthält mehrere Berichte über die Rettung von Gasvergifteten durch Methylenblauinjektionen, darunter von drei Blausäurevergifteten (Geiger, S. Francisco). Chromosmon sollte also bei Vergiftung mit erstickenden Gasen angewendet werden.”
24 Neues Wiener Journal Nr. 14475, 10. März 1934, S. 8
“In einem Vortrag, den Professor Pal über die Wirkungen von Arzneimitteln hielt, brachte er Vorzüge und Nachteile von Medikamenten zur Sprache, wovon einiges allgemeine Aufmerksamkeit verdient. An erster Stelle behandelte er im Zusammenhang mit der Morphinwirkung die Schäden der Angewöhnung chemisch verwandter Verbindungen. Seit der Erlassung der Rauschgiftverordnung, in die Morphin, Kokain und Haschisch einbezogen sind, ist der Kodeinismus in den Vordergrund gekommen, so dass in Deutschland in jüngster Zeit bereits auch das Kodein in das Verbot einbezogen wurde. Der häufigste Anlass zum Morphinismus war die Schmerzstillung, doch ist diese vielfach auf andere Wege herbeizuführen. Es sind da Mittel, die örtlich einwirken und dadurch den Schmerz beseitigen. Zu diesen gehören gewisse Medikamente, die insbesondere in Krampfzuständen der Hohlorgane und der Gefäße Erschlaffung ihrer Muskeln herbeiführen. Es gibt aber eine andere Gruppe, die speziell auf die Gefäße erweiternd wirkt, sich aber in weiterer Folge unangenehm bemerkbar macht. Das sind die Nitrite. Sie werden in den Wechseljahren der Frau in Arzneimischungen anhaltend verwendet und erzeugen mit der Zeit ungewöhnliche Drucksteigerungen. Unter den Blutkrankheiten erörterte der Vortragende die Behandlung der Leuchtgasvergiftung und betonte den gossen Wert der Bekämpfung der Atmungslähmung durch eine Beimischung von Kohlensäure (die aus Sodawasser (Siphon) leicht zu halten ist) zur frischen Luft und nahm Stellung gegen die Verwendung von Methylenblau-Einspritzungen, die im legten Jahre empfohlen wurden. Zum Schluss berührte er, die Fortschritte in der Vitaminlehre und speziell in der Behandlung des Skorbuts durch Vitamin C und eine Erörterung der Mittel, die zur Behandlung der perniziösen Anämie mit Erfolg verwendet werden, worunter sich bekannte chemische Verbindungen befinden.”
1935
25 Reichspost Nr. 80, 21. März 1935, S. 8
“Ein Rettungsmittel bei Gasvergiftungen.
Einen hohen Prozentsatz aller tödlichen Unglücksfälle bilden die Vergiftungen durch Kohlenoxyd. Verwunderlich ist diese Tatsache nicht, denn die Möglichkeit, dass die Luft, die wir einatmen, Kohlenoxyd enthält, ist sowohl im Beruf als auch im täglichen Leben häufiger gegeben, als man annimmt. Entsteht doch Kohlenoxyd überall da, wo Kohle und kohlenstoffhaltige Substanzen bei ungenügendem Sauerstoffzutritt verbrannt oder erhitzt werden. So ist Kohlenoxyd vorhanden im Leuchtgas, in den Abgasen der Kraftfahrzeuge, im Lokomotivrauch, in den Sprenggasen bei Explosionen. Selbst der wärmende Stubenofen kann todbringende Dünste aushauchen, wenn sein Abzug verstopft ist oder zu frühzeitig verschlossen wird. Das seiner Farblosigkeit und Geruchlosigkeit wegen unerkennbarem Kohlenoxyd ist ein gefährliches und tückisches Gift. Ahnungslos atmen wir es ein. Nachdem es aber von den Atmungsorganen aufgenommen und durch sie dem Blute zugeführt ist, beginnt es, unseren Lebenssaft zu zersetzen. Stark verwandt mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin kettet es sich an denselben und verdrängt den sonst mit dem Hämoglobin verbundenen lebenerhaltenden Sauerstoff. Der Sauerstoff, seines Trägers beraubt, kann nicht mehr zu den einzelnen Zellen und Organen des Körpers gelangen, die Gewebsatmung hört auf, so dass Störungen der Körperfunktionen erfolgen und in schweren Fällen der Tod durch Ersticken eintritt. Schon ein Kohlenoxydgehalt von 0,15 Prozent kann zu schweren gesundheitlichen Schädigungen führen, ein Anteil von 0,37 Prozent führt bei zweistündiger Einwirkung den Tod herbei. Selbst bei nicht tödlichen Ausgang können schwerere Folgerscheinungen in Gestalt von Lungenkrankheiten, Zuckerkrankheit, Lähmungen und Geistesstörungen auftreten, die oft nur langsam oder gar nicht mehr zu beheben sind. Die Behandlung durch Sauerstoffinhalation kann lediglich die Regeneration des Blutes unterstützen und versagt in den schweren Fällen, wo die roten Blutkörperchen mit Kohlenoxyd gesättigt, keinen Sauerstoff mehr aus den Lungen aufzunehmen vermögen und tödliche Erstickung unmittelbar droht. In diese über Tod und Leben entscheidende Phase springt das Methylenblau rettend ein. Dieser Stoff hat nämlich die Fähigkeit, durch Sauerstoffübertragung auf das lebende Gewebe gleichsam eine Hilfsatmung zu bewerkstelligen. Denn Methylenblau oxydiert dass zweiwertige Eisen der Körperzellen und des Blutfarbstoffes, das sogenannte Atmungsferment, zu dreiwertigem Eisen, das dann die organische Substanz solange oxydiert, bis alles Methylenblau in Leukomethylenblau verwandelt ist. So wird selbst bei völliger Vergiftung des Atmungsfermentes durch Giftgase von der Art des Kohlenoxyds die Sauerstoffversorgung der Gewebe ermöglicht. Sowohl durch Versuche an Tieren als auch an vergifteten Personen wurde die lebensrettende Wirkung des Methylenblau erprobt. Etwa 10 ccm einer zehnprozentigen Lösung in die Vene eingespritzt, ergeben oft verblüffende Wirkung. Binnen weniger Minuten schon vertieft sich die Atmung, die erloschenen Reflexe kehren wieder, der Vergiftete erwacht zum Bewusstsein. Verzögert sich in Einzelfällen der Erfolg, so kann die Einspritzung ohne Schädigung wiederholt werden. So kann durch das Wunder einer in den Blutbahnen vor sich gehenden künstlichen Atmung manches Menschenleben erhalten werden, das vordem rettungslos verloren war.”
26 Feldkircher Anzeiger Nr. 53, 3. Juli 1935, S. 5
”Rettung bei Gasvergiftungen.
Immer wieder hört man von Gasvergiftungen absichtlichen oder unabsichtlichen, und in sehr vielen Fällen war die Rettung bisher sehr schwierig, wenn nicht gar ganz unmöglich. Das gefährlichste, das im täglichen Leben oft vorkommt, ist das Kohlenoxydgas: es ist vorhanden im Leuchtgas, mit dem wir kochen und beleuchten, in den Abgasen der Hochöfen, der Kraftfahrzeuge, im Lokomotivrauch, Sprenggasen bei Explosionen u. v. a. Die Gefährlichkeit wird dadurch erhöht, dass dieses Gas weder durch Geruch noch durch Farbe wahrnehmbar ist; sie besteht darin, dass es sich, da es dem Blutfarbstoff Hämoglobin stark verwandt ist, diesen anhängt, und so, den Sauerstoff aus dem Blut verdrängend, in den ganzen Körper gelangt. Schon ein Kohlenoxydgehalt von 0,15 Prozent kann zu schweren gesundheitlichen Schädigungen führen, ein Anteil von 0,37 Prozent führt bei zweistündiger Einwirkung den Tod herbei. Nun ist aber nach langen wissenschaftlichen Vorarbeiten im Methylenblau ein Stoff gefunden worden, der bei Gasvergiftungen mit Sicherheit zur Heilung führt. Er wird in kleinen Dosen, etwa 10 ccm einer einprozentigen Lösung, in die Vene eingespritzt. Dadurch wird das Kohlenoxyd aus dem Blut verdrängt. “
1936
27 Salzburger Volksblatt Nr. 90, 18. April 1936, S. 19
”Neue Mittel gegen Vergiftungen.
Früher standen bei den Vergiftungsarten Sublimat (Quecksilber) und Lysol28 an erster Stelle, heute sind sie durch Veronal29 und Leuchtgas ersetzt. Außerordentlich häufig ist die Leuchtgasvergiftung durch Kohlenoxyd. Die Vergiftungserscheinungen beruhen hier auf einer Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zu den Organen. Nach neuesten Forschungen weiß man, dass Einspritzungen mit einprozentiger Methylenblaulösung in die Venen lebensrettend zu wirken vermögen. Methylenblau hat eine sehr starke Bindungsfähigkeit an Kohlenoxyd und verdrängt auf diese Weise das Gift aus dem Blut. Methylenblau ist auch sehr wirksam gegen Cyanvergiftung. Der Amerikaner J. C. Fraser berichtet über einen Studenten, der Cyan schluckte und hinterher Berliner Blau, das erfahrungsgemäß das Cyan unschädlich macht. Eines Tages aber schluckte er ein ausgeglühtes Cyanstück mit erhöhter Wirkung. Eine schwere Vergiftung stellte sich ein und er wurde durch Methylenblau gerettet. Auch gegen die Strychninvergiftung gibt es heute ein wirksames Mittel. Bisher war man lediglich auf Magenspülungen angewiesen. Heute wissen wir, dass eine Einspritzung von Veronal eine sehr viel größere lebensrettende Wirkung ausüben kann. Umgekehrt bewähren sich bei Veronalvergiftungen Strychnin spritzen.”
30 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 1, 1936, S. 17 (Herr L. Teleky: Kohlenoxydvergiftung — Wiederbelebung. Vortr. hat als Landesgewerbearzt etwa 650 Kohlenoxydvergiftungen im IndustriegebietHüttenwerke, elektrische Entstaubungsanlagen etc. und Bergbau, in Werkstätten und Haushaltungen beobachtet.”)
“Methylenblau (Chromosmon) hat Vortr. nie angewendet. Erfolge wurden aber bei Kohlenoxydvergiftung (Leuchtgasvergiftung) nur bei Personen erzielt, bei denen noch Puls und Atmung vorhanden waren, als sie aufgefunden wurden. Bei scheintot Aufgefundenen wurde niemals ein Erfolg erzielt. Amerikanische Autoren berichten über ähnliche ungünstige Erfahrungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Scheintoten gerade in den wenigen Minuten zwischen Stillstand der Atmung und Herztätigkeit und Eintritt des Todes von den Rettern aufgefunden werden, ist sehr gering. Elektrokardiographische Untersuchungen an Tieren haben ergeben, dass die Erregbarkeit des Herzmuskels bei Kohlenoxydvergiftung besonders rasch abnimmt. Die Methodik der Hilfeleistung ist zu verbessern; in den Jugendorganisationen ist der Unterricht in erster Hilfe zu pflegen. Vor allem aber sind noch viele Fragen mit Hilfe des Tierexperimentes und durch Zusammenarbeit der Theoretiker und Praktiker zu lösen. Vortr. empfiehlt die Einsetzung eines Komitees durch die Gesellschaft, das diese Frage bearbeiten und zweckdienliche Vorschläge ausarbeiten soll.”
“Herr F. Deutsch hat die Methylenblau-Zucker-Lösung (Chromosmon) in den letzten zwei Jahren bei Vergiftungen viel verwendet und war nie enttäuscht. Die Tierexperimente ergeben auch, dass die Hilfsatmung durch Methylenblau sehr stark ist und dass sich der Farbstoff vor allem in den geschädigten Organen ansammelt, bei Phosphorvergiftung in der Leber, bei Uranvergiftung in der Niere.”
1939
31 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 8, 1939, S. 105
“Interne Medizin
Therapie der akuten schweren Kohlenoxydvergiftung. Die Affinität des Kohlenoxyds zum Hämoglobin ist bekanntlich weitaus größer als die des Sauerstoffes. Die durch diese Bindung entstehende Anoxaemie ist die unmittelbar lebensbedrohende Wirkung der Vergiftung. Wie weit eine spezifisch toxische Wirkung des Kohlenoxyds bei der Vergiftung eine Rolle spielt, ist noch nicht eindeutig geklärt. Da wohl die Affinität, nicht aber die Bindung des Kohlenoxyds an das Hämoglobin größer ist als die des Sauerstoffes, ist die Sauerstoffatmung als Therapie vollkommen gerechtfertigt, besonders kombiniert mit Kohlensäure, wodurch gleichzeitig ein Reiz auf das Atemzentrum ausgeübt wird. Vor dem Versuch, das Methylenblau als Säurestoffträger (Ersatz für das gebundene Hämoglobin) zu verwenden, wurde mit Recht besonders in Wien gewarnt. Nicht nur dass keine besseren Erfolge damit zu erzielen waren, sollte sogar die Möglichkeit der Methämoglobin-Bildung bestehen. Dagegen hat der Gedanke, mittels Bluttransfusion eingebrachtes Hämoglobin als Sauerstoffträger zu verwenden, sehr viel für sich. Am besten wirkt sich die Bluttransfusion nach einem Aderlass von 40 bis 500 cm aus, eine Methode, die auch schon bisher üblich war. Neben der Entfernung des im Blut kreisenden Kohlenoxyds strömt dadurch vor allem frisches Blut aus den Blutdepots nach und junge Erythrozyten werden aus dem Knochenmark ausgeschwemmt. Karl Koch, Mannheim, beschreibt 2 Fälle schwerster Kohlenoxydvergiftung, die trotz der üblichen Sauerstoff-Kohlensäuregaben, Hitzkasten, Weckmittel Neospiren, Cardiazol, Strophantin und Kreislaufmittel nach 2-3 Stunden noch nicht bei Bewusstsein waren. Die nach Aderlass noch zusätzlich durchgeführte zweimal wiederholte Bluttransfusion konnte den 1. Fall nach 48 Stunden, den 2 Fall nach 19 Stunden aus tiefster Bewusstlosigkeit wieder erwecken. (Münch. Med. Wochenschr. 1939). St. Krauter, Wien.“
Dieser Artikel ist ein Beispiel dafür, dass es auch bei funktionierenden Methoden, die bis heute erfolgreich angewendet werden, immer ein paar Ärzte gibt, die lieber bei den alten Methoden bleiben und vor dem Neuen warnen.
1940
32 Wiener Medizinische Wochenschrift Nr. 46, 1940, S. 893
“Die durch Sulfonamide erzeugte Zyanose beruht auf Methämoglobinbildung. Dieses kann durch Methylenblau zurückgebildet werden. Bei intravenöser Applikation von 10 ccm einer 1%igen Methylenblaulösung verschwindet die Zyanose in 15 bis 30 Minuten; bei peroraler Verabreichung von 100 mg Methylenblau tritt die Wirkung nach 3 bis 4 Stunden auf. (P. Zierz, Med. Klinik. 1940, 37.) “
1954
33 Österreichische Apotheker-Zeitung, Januar-Juni 1954, 265
“Der Wert von Methylenblaubei chronischer Einwirkung von niedrigen Konzentrationen Kohlenmonoxyd in der Luft.
Nach einer Literaturübersicht über den Wert des Methylenblau als Antidatum bei CO-Intoxikationen, wird über Versuche berichtet, nach denen bei Rauchern, die eine durchschnittliche Zunahme an CO-Hämoglobin von 2,9% zeigten, Methylenblau in oralen Dosen von 4 bis 500 mg keinerlei Einfluss auf das CO-Hb. hatten. Die Verabreichung von 4X 100 mg per os während der Arbeitszeit von Arbeitern, die täglich CO einatmen, so dass die CO-Hb. Konzentration bis 12,60% steigen kann, verursachte eine deutliche Verminderung derselben am folgenden Morgen. Infolge unangenehmer Nebenerscheinungen ist jedoch auch bei Gasarbeitern der präventive regelmäßige Gebrauch von Methylenblau nicht zu empfehlen. Besser ist es durch technische Abhilfen in gefährdeten Betrieben die Luft möglichst CO-frei zu halten und das Rauchen während der Arbeitszeit zu verbieten. J. F. de Wijn en W. F. Donath Ned. T. v. Gen. 1953, 1747 Pharm. Weekbl. 88, 623, 1953. “
1957
34 Über Behandlungsverfahren bei Vergiftungen mit Schädlingsbekämpfungsmitteln. Österreichische Apotheker-Zeitung, Juli-Dezember 1957, S. 386
“Für die Bekämpfung von Blausäurevergiftungen werden Cystin und Glutathion zur Zellentgiftung empfohlen, deren Wirkung durch eine Aderlasstherapie und Vollblutübertragung ergänzt werden kann. Durch Zufuhr reduzierender Stoffe wie Methylenblau, Thionin, Thiosulfaten oder Nitriten kann die Sauerstofftransportfunktion des Blutes wieder hergestellt werden.”
Hanzlik, P. J. (1933). METHYLENE BLUE AS ANTIDOTE FOR CYANIDE POISONING. JAMA, 100(5), 357. https://doi.org/10.1001/jama.1933.02740050053028
Brooks, M. M. (1936). Methylene Blue as an Antidote for Cyanide and Carbon Monoxide Poisoning. The Scientific Monthly, 43(6), 585–586. http://www.jstor.org/stable/16280
Methämoglobinämie - DocCheck Flexikon https://flexikon.doccheck.com/de/Meth%C3%A4moglobin%C3%A4mie
UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE ÄTIOLOGIE UND THERAPIE DER SCHWEINE-METHÄMOGLOBINÄMIE Von J. Kovács, I. Bálintffyund M. Horvay Pharmakologisches Institut (Direktor: Prof. J. Kovács) der Veterinärmedizinischen Hochschule, Budapest (Eingegangen am 1. Juli 1960)
Clifton J 2nd, Leikin JB. Methylene blue. Am J Ther. 2003 Jul-Aug;10(4):289-91. doi: 10.1097/00045391-200307000-00009. PMID: 12845393. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12845393/
Clifton J 2nd, Leikin JB. Methylene blue. Am J Ther. 2003 Jul-Aug;10(4):289-91. doi: 10.1097/00045391-200307000-00009. PMID: 12845393. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12845393/
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“Der Hauptbestandteil von Lysol-Reinigungs-/Desinfektionsemulsion ist Chlorxylenol, die anderen Lysol-Reinigungsmittel enthalten meistens Benzalkoniumchlorid.” Lysol – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Lysol
“Barbital ist ein Barbiturat-Derivat, das früher insbesondere als Hypnotikum und Sedativum eingesetzt wurde, mittlerweile jedoch weltweit nicht mehr im Handel ist.” Barbital - DocCheck Flexikon https://flexikon.doccheck.com/de/Barbital
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dafür fand sich dann bei der BASF jemand, der die tgl. Betriebsunfälle an die Presse durchsteckte. Aber seitdem wandern wir lieber nach China aus...
Haben wir ein Glück, dass Zyankali in der Chemischen Industrie so gar keine Rolle gespielt hat. Sagte Karlchen und schlug nach der Pleite wegen des Lipobay vor, die Betriebspoliklinik der Bayer AG doch mal gleich einzustampfen. Bis sich die Ärzte von LEV weigerten, in Notfällen aufs Betriebsgelände zu fahren (sie kannten sich ja nicht aus), da durfte die Betriebspoliklinik - stark abgespeckt um die Sozialmedizin und die eigene Physiotherapie) weitermachen)