Ugurs grenzdebile Schwachsinnsideen im Protein Design
Einleitung und Vorgeschichte
Ich behaupte nicht ein Experte in Proteindesign zu sein. Ich habe auf dem Gebiet „nur“ vor ca. 15 Jahren promoviert[i] und ein paar Buchkapitel zum Thema directed protein evolution geschrieben[ii] [iii] [iv]. Die Wissenschaft hat in dieser Zeit Fortschritte gemacht, sollte man zumindest meinen. Daher ist es umso erstaunlicher, dass man, basierend auf den teils leidvollen experimentellen Erfahrungen meiner Promotion, bei der Konstruktion des Impfspikes so unbekümmert vorgegangen ist und meiner Meinung nach Anfängerfehler gemacht hat, die mir schon vor 15 Jahren bewusst waren und für die man zu meiner Zeit, durch die Promotionsprüfung gefallen wäre bzw. gar nicht erst zur Prüfung zugelassen worden wäre.
Ich argumentiere gerne auf dem alten Stand der Technik und des von vor 10-15 Jahren, weil das den Mitarbeitern und Wissenschaftlern, die die Schlumpfungen verbrochen haben, alles bewusst gewesen sein muss, eben WEIL es 10-15 Jahre altes Wissen ist, das man somit vorraussetzen können sollte. Bevor man ein Projekt anfasst, beschäftigt man sich mit der Vorhandenen Literatur zu diesem Themenkomplex. In diesem Falle wären das z. Bsp. ein paar Übersichtsartikel (Reviews) zum Thema Proteinfaltung und was man dazu weiß oder eben nicht weiß. Zumindest das Niveau von Übersichtsartikeln sollte man voraussetzen dürfen.
Fangen wir also mit den ganz einfachen Sachen an, die man lernt, wenn man im Labor ein Protein exprimiert also in einem Organismus herstellt. Ich habe nur in E.Coli gearbeitet, einfache Prokaryotengenetik (Menschen und Pflanzen sind Eukaryoten, haben also einen Zellkern, anders als Bakterien, die haben keinen Zellkern, daher Prokaryoten). Ich brauchte mir um Poly-A-Schwänze keine Gedanken machen wie das bei Eukaryoten wie dem Menschen oder der Maus der Fall gewesen wäre. Dennoch war bereits das Protein Engineering in E.Coli tückisch ohne diese zusätzlichen Probleme, die das Problem weiter verkompliziert hätten.
Meine „Analyse“ der Probleme mit der Konstruktion des Impfspikes beruhen auf den Beobachtungen und experimentellen Erfahrungen meiner Promotion, die jeder in der UB Freiburg einsehen kann (Mein Chef hat es leider nie geschafft, meine Paper Drafts auch einzureichen) und Übersichtsartikeln, um diese wissenschaftlich zu untermauern.
Mein Promotionsprojekt war ganz einfach erklärt folgendes:
Man nehme ein Protein (Eiweiß) und schneide an seinem vorderen Ende (N-Terminus) und/oder seinem hinteren Ende (C-Terminus) so lange Aminosäuren ab, bis es kaputt ist und keine Aktivität mehr zeigt. Mein Protein hieß CAT I (Chloramphenicolacetyltransferase 1, das Enzym, das für die Resistenz gegen Chloramphenicol (ein Anitbiotikum) verantwortlich ist). Wenn man bei CAT I am N-Terminus 10 Aminosäuren abschneidet ist es kaputt. Schneidet man am C-Terminus 9 Aminosäuren ab, ist es auch kaputt. Das erkennt man daran, dass E.Coli Kulturen, die man auf Nährmedium ausbringt, welches dieses Antibiotikum enthält, nicht mehr wachsen können und durch das Antibiotikum getötet werden. Wächst etwas, sieht man das auf Agarplatten als Kolonie oder in Flüssigkultur als Trübung. Eine ganz einfache Ja/Nein Selektion.
Mit evolutionären Methoden, die ich in meinem Substack über directed protein evolution beschrieben habe[v], mutiert man das Protein und selektiert nach Mutanten, die wieder aktiv sind, was bei einer Antibiotikaresistenz denkbar einfach ist. Funktioniert das Enzym nicht, wachsen die Bakterien auf diesem Antibiotikum nicht. Wachsen sie, muss wohl mit den Enzym irgendetwas passiert sein, dass es wieder ohne sein abgeschnittenes Ende, aktiviert hat.
In meinem Fall reichten 2 Mutationen die fehlenden 10 Aminosäuren des N-Terminus auszugleichen (I84V und S87R) und 4 Mutationen die fehlenden 9 Aminosäuren des C-Terminus auszugleichen (M67V, D111H, I119T, F138S).
Diese Änderungen passieren irgendwo im Enzym, an einer ganz anderen Stelle als an jener, wo man das Ende abgeschnitten hat. Die Änderungen sind überraschend, unvorhersehbar und ehrlicher Weise schwer erklärbar. Ein Wissenschaftler drückt das dann so aus: Es handelt sich um Effekte über lange Distanz. Möglicherweise stabilisiert die zusätzliche Wasserstoffbrücke die Struktur. Durch die gefundene Mutation können wir in Zukunft mehr über Proteinfaltung und Proteinstruktur lernen. Im Klartext: Ich habe keine Ahnung, wäre nie auf die Idee gekommen diese Mutationen zu machen und ich weiß nicht, warum sie funktionieren.
Wie kommt es aber, dass man sich sollte Hypothesen aus den Fingern saugen kann und wie belegt man diese?
Dafür verwendet man „Fotos“ des Proteins, die man gemacht hat, indem man einen Kristall des Proteins gezüchtet hat (oder jemand anders hat das gemacht) und dann mittels Röntgenstrukturanalyse, die Position jedes einzelnen Atoms des Proteins „fotografiert“ hat. Das Ergebnis dieser Röntgenfotos findet man in einer zentralen Proteindatenbank namens PDB[vi] (Protein Data Base).
Wenn es keine Möglichkeit gibt einen Kristall zu züchten oder das Bild zu unscharf ist, gibt es noch andere Möglichkeiten zumindest eine Näherung zu bekommen, wie ein Protein aussieht. Man kann ein unscharfes Elektronenmikroskopisches Foto machen und dann ein Modell generieren, das in dieses unscharfe Foto hineinpasst. Das sind dann diese 3D-Strukturen in der Proteindatenbank, die mittels Cryo- Elektronenmikroskopie gemacht wurden. So zumindest verstehe ich diese Methode. Vielleicht tue ich ihr damit aber auch Unrecht. Wir werden sehen.
Cryo-EM macht man besonders gerne für Membranproteine, weil sie bekanntermaßen keine gescheiten Kristalle produzieren, wohl auch wegen ihrer Flexibilität[vii]. Flexibilität und Stabilität, da war doch was. Darauf werde ich in den folgenden Kapiteln noch näher eingehen. ABER, wenn ein Protein keine gescheite Struktur erzeugen lässt, weil es flexibel ist und sich somit in einem labilen Gleichgewicht verschiedener Konfirmationen befindet, sollten die Alarmglocken angehen, dass man von so einem Protein geflissentlich die Finger lässt. Wäre nur so eine Idee.
Ich selbst habe nie mit Cryo-EM oder Cryo-EM Strukturen hantiert, kann also nicht exakt beurteilen, wie brauchbar diese sind. Aber dazu kommen wir noch in einem der späteren Kapitel.
Im Impfspike hat man einfach so zwei Aminosäuren im „Stamm“ des brokkoliartigen Spikes ausgetauscht und behauptet, dass dieses dann nicht mehr an ACE2 binden würde. Biacore-Messungen, die das belegen würden, wurden nicht durchgeführt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, der Austausch von 2 Aminosäuren kann einen großen Effekt auf die komplette Struktur eines Proteins haben, den man nicht erklären kann. Schon diese zwei Proline, das sogenannte Proline-Schloss, können die Struktur des Proteins theoretisch „verziehen“ und zwar über lange Distanz. Welchen Effekt das hat, kann man leider nicht sagen, weil entsprechende Messungen (CD Schmelzkurven, Biacore Bindungsmessungen, Kristallstrukturen von aus Menschen isolierten Impfspikes) nicht vorliegen. Was diese Messungen messen und warum ich die gemacht hätte, darauf werde ich in einem der folgenden Kapitel ausführlicher eingehen.
Eine weitere Lektion, die man als Doktorand im Protein Engineering leidvoll lernt ist, dass die codon usage, also welcher der vielen Triplet Codes für eine Aminosäure verwendet wird, einen großen Einfluss auf das Verhalten der Zellen haben kann. Im schlimmsten Fall hat man einen sehr seltenen Triplet Code in seiner Sequenz, es kommt zu einem Mangel der entsprechenden tRNA im produzierenden Organismus und die Zellen sterben oder man verwendet von einer Aminosäure zu viel, so dass dem Organismus diese Aminosäure vor sein Überleben fehlt und er daher nicht gescheit wächst oder stirbt. Dumm gelaufen. Nun ist es so, dass das Impfspike bei seiner unkontrollierten Produktion ganz offensichtlich ordentlich Prolin verbraucht was bei den behandelten Menschen im Blut wohl teilweise zu Prolinmangel führt. Hätte man vielleicht vorher bedenken sollen und schauen sollen, wie die Aminosäurenverteilung und deren Verbrauch im produzierenden Organismus Mensch ist. Ich kann jetzt nicht genau sagen, wie das bei Prolin und Menschen ist, aber Prolin ist eine sogenannte essentiellen Aminosäure, die ein Mensch von außen zuführen muss. Davon hat man nicht allzu viel vorrätig. Ob es nun sinnvoll wäre Prolin zu begrenzen, damit nicht zu viel Spike produziert wird oder Prolin zuzuführen, um Prolinmangel auszugeleich, wäre eine Interessante Fragestellung, die ich nicht beantworten kann.
Meine am C-Terminus um 9 Aminosäuren verkürzte CAT I Variante galt als nicht reinigbar, weil sie im produzierenden Organismus zu sogenannten inclusion bodies (einschlusskörperchen) führte, d.h. das produzierende E.Coli hat das fehlgefaltete Protein irgendwo in einer Ecke als Feststoff abgelegt. Das lag aber wohl daran, dass man immer versucht hat „traditionell“ zu reinigen. „Traditionell“ werden Proteine in E.Coli bei 30°C produziert, weil man glaubt, dass dann mehr Protein hergestellt wird und die Zelle langsamer wächst. Beweise dafür hat man mir aber nie vorgelegt. In der Chemie hingegen gibt es die sogenannte RGT Regel, die man in der Chemie der Mittelstufe lernt. Die RGT Regel (Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel, auch van-’t-Hoff’sche Regel) besagt, dass chemische Reaktionen bei einer um 10 °C erhöhten Temperatur ungefähr doppelt bis viermal so schnell ablaufen. Als fauler Doktorand habe ich daher meine Mutante bei 37°C statt 30°C exprimiert, weil die Zellen natürlich schneller wuchsen, das Protein von Natur aus eigentlich thermostabil war und bei 50°C-70°C am glücklichsten und schnellsten, und weil ich den 30°C Schüttler, der umständlich zu bedienen war, nicht buchen musste. Und siehe da! Das in der Literatur als nicht reinigbar bezeichnete Protein ließ sich plötzlich reinigen, weil es bei höheren Temperaturen höchstwahrscheinlich schneller abgelesen wurde und plötzlich doch falten konnte. Ich hatte durch die höhere Expressionstemperatur an der Produktionsgeschwindigkeit der Ribosomen geschraubt (RGT Regel halt), und plötzlich faltete es. Was bedeutet das für das Impfspike? Man hat bei der Konstruktion der modRNA am CG Gehalt der Tripletcodes geschraubt, um die Ausbeute an Spike zu erhöhen, man hat also an der Lesegeschwindigkeit und der Produktionsmenge des Proteins herummanipuliert. Die Lesegeschwindigkeit der Ribosomen hat (zumindest in Prokaryoten) einen großen Einfluss darauf wie und ob ein Protein faltet oder irgendwo als fehlgefalteter Proteinmüll in einer Ecke der Zelle abgelegt wird. Man hat also durch das verändern der Tripletcodes zu Varianten mit hohem GC Gehalt möglicherweise alternative und generell andere Faltungswege des Proteins aktiviert. Welche Form dieses „Impfspike“ nun also annimmt, weiß man nicht (ganz abgesehen, dass man da noch 2 Proline hat, die auch den Faltungsweg beeinflussen können). Um das sicher zu wissen müsste man das nun produzierte Impfspike es aus einem Menschen reinigen (mittels Apharese?) und anschließend kristallisieren, was man natürlich nicht gemacht hat.
Hinzu kommt ein weiterer Anfängerfehler, für den mein Doktorvater mich geköpft hätte. Ein DNA oder RNA Konstrukt, welches zur Proteinproduktion verwendet wird, wird aus Sicherheitsgründen im Hauptleseraster mit 2 starken Stopps hintereinander, anschließend jeweils einem Stopp in den beiden Nebenleserastern und optional noch ein drittes Mal im Hauptleseraster gestoppt, damit keine zu langen Proteine gebildet werden oder bei einer Rasterschubmutation auch gestoppt wird. Das ist bei den modRNAs nicht der Fall, die nur im Hauptleseraster gestoppt wurden und das mit 2 schwachen Stopps, soweit ich weiß. Natürlich vorkommende Proteine haben häufig ohnehin stille Stopps in den Nebenleserastern, so dass man sich darum normalerweise keine Sorgen machen muss und sich das Blocken der Nebenleseraster auch sparen kann. Sollte das aber nicht der Fall sein, wäre es wünschenswert, diese Nebenleseraster mit einem starken Stopp zu blocken.
Fassen wir also mal die unbedachten Anfängerfehler dieses Impfspikekonstrukts, rein basierend auf leidvollen Erinnerungen meiner Promotion, zusammen:
1. Es wurde nicht bedacht, dass der Austausch von 2 Aminosäuren die komplette Proteinstruktur beeinfluss und „verziehen“ kann und zu unerwünschten Langstreckeneffekten in der Proteinstruktur führen kann.
2. Es wurde nicht bedacht, dass der Austausch von 2 Aminosäuren die Faltung und den Faltungsweg des Proteins beeinflussen kann.
3. Es wurde nicht bedacht, dass die Beeinflussung der Lesegeschwindigkeit bei der Proteinproduktion die Faltung und den Faltungsweg verändern kann.
4. Das zu produzierende Protein wurde nur mit leaky Stopps beendet, die Nebenleseraster nicht geblockt, was bei einer Humananwendung extrem wünschenswert gewesen wäre.
5. Das Endprodukt wurde nicht biophysikalisch mittels Biacore- Messung (Bindung an ACE2), CD- Schmelzkurve (Charakterisierung der Proteinstruktur in Abhängigkeit der Temperatur), Kristallstruktur (wie sieht das Endprodukt wirklich aus) charakterisiert.
Und das sind nur Ableitungen aus meinen persönlichen leidvollen Laborerfahrungen, dafür muss ich nicht einmal in die Literatur schauen, um zu wissen, dass bei der Konstruktion des Spike-Proteins so richtig scheiße gebaut wurde.
DAS kommt in den folgenden Kapiteln. Da schaue ich tiefer in die Literatur, die meine leidvollen Erfahrungen erklären wird.
Hätte Ugur doch einfach jemanden gefragt, der so was Ähnliches schon mal mit einem thermostabilen, trimeren Protein gemacht hat.
Einmal mit Profis arbeiten, sage ich da nur.
[i] FreiDok plus - Nucleotide exchange and excision technology (NExT) DNA shuffling And Mutational studies on chloramphenicol actetyltransferase I (CATI). (n.d.). https://freidok.uni-freiburg.de/data/11610
[ii] Stebel, S. C., Arndt, K. M., & Müller, K. M. (2006). Versatile DNA Fragmentation and Directed Evolution With Nucleotide Exchange and Excision Technology. In Humana Press eBooks (pp. 167–190). https://doi.org/10.1385/1-59745-187-8:167
[iii] (Stebel, 2007, p. 631) Directed Protein Evolution. In K. Müller & K. Arndt (Eds.), Protein Engineering Protocols (Vol. 349, pp. 631-656). Springer Science & Business Media
[iv] Eigentlich hätte ich hier Erstautor sein müssen. Den hat sich aber mein Doktorvater genommen und seiner Frau den Letztautor gegeben, den sie noch dringen für einen Antrag oder eine Bewerbung brauchte. Daher wurde ich auf die TA Position verbannt. Damit war meine Karriere in der Wissenschaft ohnehin tot. Meine restlichen Paperdrafts aus der Promotion hat er auch nie veröffentlicht. Wir haben und nicht direkt im Guten getrennt, könnte man sagen. Müller KM, Stebel SC, Knall S, Zipf G, Bernauer HS, Arndt KM. Nucleotide exchange and excision technology (NExT) DNA shuffling: a robust method for DNA fragmentation and directed evolution. Nucleic Acids Res. 2005 Aug 1;33(13):e117. doi: 10.1093/nar/gni116. PMID: 16061932; PMCID: PMC1182171.
[v] Vitriol, D. V. (2023, January 27). Directed (Protein) Evolution. By DrBines Verbales Vitriol. https://drbine.substack.com/p/directed-protein-evolution
[vi] Bank, R. P. D. (n.d.). RCSB PDB: Homepage. https://www.rcsb.org/
[vii] García-Nafría J, Tate CG. Cryo-Electron Microscopy: Moving Beyond X-Ray Crystal Structures for Drug Receptors and Drug Development. Annu Rev Pharmacol Toxicol. 2020 Jan 6;60:51-71. doi: 10.1146/annurev-pharmtox-010919-023545. Epub 2019 Jul 26. PMID: 31348870. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31348870/