Ubik ist nicht unbedingt Philip K. Dicks bekanntester Roman, zumindest nicht in Deutschland. In USA scheint er zu den “100 greatest novels since 1923” zu gehören. Damals, als das Buch erschien, 1969, lange vor dem Internet, lange vor Cyber Punk und Romanen wie Otherland, etablierte dieser Roman ein Sci-Fi Subgenre. In Ubik wird eine virtuelle Welt beschrieben, ähnlich wie in Otherland oder in den Hacking Episoden in Neuromancer. Nur in Ubik werden Tote kurz vor dem kompletten Hirntot in diese virtuelle Realität verkabelt. So können Tote, solange die neuronale? Energie noch ausreicht in einer Welt, die sie mit ihren Gedanken selber erschaffen, in einem neuronalen Netz, noch einige Jahre „leben“ und ihren lebenden Verwandten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Zudem haben viele Bewohner auch besondere Psi-Fähigkeiten, welche Konzerne gegeneinander einsetzen. Jeder versucht die besten Psi-Begabten unter Vertrag zu haben und die Gefährlichen zu eliminieren, eher sie einem selber gefährlich werden. Also irgendwie ähnlich wie in „Solar Lottery“ oder „Minority Report“.
In dieser Welt spielt nun die Handlung. Ein reicher Industrieller namens Stanton Mick engagiert die Firma von Runciter, der ein diverses Portfolio an verschiedenen Psi Begabten unter Vertrag hat. Diese Leute sind Freelancer, werden also nicht wirklich pralle bezahlt. Warum genau sie den Job machen ist mir daher ein wenig schleierhaft. Chip arbeitet als Recruiter für Runciter. Chip ist der Typ permanent ausgebrannter Detektiv, er hat nicht mal genug Geld, um seine Tür zu bezahlen, damit er sein Appartment verlassen kann. Diese Welt ist komplett kapitalistisch, hier muss man für ALLES zahlen, selbst die Dusche hat einen Münzeinwurf, genau wie der Kühlschrank oder die Tür. Entweder zahlen für jedes Öffnen (besonders für die armen Schichten) oder mit einer Flatrate leasen. Komplette kapitalistische Ausbeutung, die als normal hingenommen wird (düstere Vision schon in den späten 1960er Jahren). Das erinnert mittlerweile Stark an Klaus Schwabs Traum von “you will own nothing and be happy”. Neu ist Klausis Idee wirklich nicht. Vielleicht hat er in seiner Jugend auch diesen Roman gelesen.
Bei Chip jedenfalls taucht eine junge Frau namens Pat Conley mit einer ganz besonderen, gefährlichen, schwer zu kontrollierenden oder nachzuweisenden Fähigkeit auf: Sie kann Precogs (die aus Minority Report) umgehen, indem sie den Zeitablauf manipuliert. Sie kann Geschehnisse ungeschehen machen und so die Zeit verändern. Betroffene merken das nicht unbedingt, sie sind nur kurz desorientiert. Sowohl Runciter als auch Chip überlegen kurzzeitig, ob sie Pat nicht lieber töten sollen. Dazu ist aber keine Zeit. Sie haben einen dringenden Auftrag, bei dem 11 Psi-Agenten benötigt werden und nehmen Pat Conley aus Personalmangel in das aktuelle Team auf. Stanton Mick will, dass das Team auf seiner Mondbasis nach Psi-Spionen sucht, aber irgendwas ist seltsam und geht schief, nur was? Und das ist die Frage, die einen den Rest des Buches beschäftigt. Sind alle gestorben und in dieser VR Welt verkabelt? Hat Runciter überlebt und kontaktiert sie und hilft ihnen oder ist er auch tot, nur in einer anderen Ebene der VR? Sind Agenten lebend vernetzt, um die Agenten aus irgendeinem Grund in der VR zu töten?
Ein Großteil, vielleicht auch die komplette Handlung nach der Explosion, so genau kann man das nicht sagen, spielt sich in diese VR Welt der lebenden Toten ab. Irgendwas stimmt da nicht. Die Zeit löst sich um die Protagonisten herum auf, entwickelt sich zurück. Technik entwickelt sich um Jahrzehnte zurück in Stunden, einige der Protagnisten fühlen sich seltsam und mumifizieren über Nacht. Das einzige was zu helfen scheint ist, zusammenzubleiben ist ein Mittel names Ubiq in die Finger zu bekommen. Dieses Mittel ist aber nicht einfach zu bekommen, entwickelt sich auch zurück und kann, wenn man es zu spät bekommt, toxisch werden und außerdem scheint es irgendjemand töten zu wollen.
Eine Geschichte die vor allem eines ist: Mehrdeutig. Haufenweise Raum für Hirnakrobatik und geistige Selbstbefriedigung. Eine Mischung aus VR, Krimi, Sci-Fi + postmoderne Mehrdeutigkeit. Dennoch weitgehend unterhaltsam und wie bei Philip K. Dick normal: Paranoid.
Dennoch, die Protagonisten bleiben einem fern, es fällt einem teilweise schwer einige von ihnen überhaupt auseinanderzuhalten, weil sie einfach keine Persönlichkeit entwickeln. Irgendwelche aus dem Team sterben und man fragt sich, wer genau war das? Keine von den Haupt-Hauptfiguren, also was soll’s.
Das Hauptmotiv des Roman ist wohl: Was ist real, was ist Traum. Inwieweit können wir unsere Realität durch unsere Gedanken formen und beeinflussen und in wieweit werden wir von unseren Eindrücken beeinflusst?
Trotz des intellektuellen Stimulus, konnte mich die Geschichte nicht wirklich packen.