The Gilded Age: A Tale of Today gab einer ganzen US Era ihren Namen. The Gilded Age umfasst die Jahre 1870 bis 1900, eine Zeit, die gekennzeichnet ist durch Spekulation und schnellem ökonomischem Wachstum. Diese Zeit war eben nicht golden sondern nur oberflächlich vergoldet, darunter war alles so verrottet wie zuvor. Jeder versuchte in dieser Zeit durch wenig Arbeit aber viele spekulative Aktionen schnell reich zu werden und durch Schneeballsysteme und Bestechung einen Großteil der Anleger zu ruinieren, um selber reich zu werden. So bleiben diejenigen, die die wirkliche Arbeit leisten und das Land aufbauen, finanziell auf der Strecke, während einige Räuberbarone und korrupte Politiker unglaubliche Reichtümer anhäufen.
Dieses Buch erschien in Kooperation mit Charles Dudley Warner und war eigentlich als Satire gedacht. Liest man es aber heute, so verliert sich der satirische Charakter im Vergleich zu dem, was derzeitig passiert. Dieses Buch mutet eher als exakte Beschreibung der aktuellen und damaligen Politik an, nur mit bissigem Unterton, der weniger satirisch als sarkastisch wirkt. Das Buch ist voller windige Geschäfte, die keiner mehr durchblickt. Das klingt teilweise schwer nach den heutigen Fonds und nach den Ursachen der Lehman Brothers Katastrophe. Auch Stellen wie diese beschreiben die aktuelle, weltweite ökonomische und politische Lage gerade sehr treffend: “Unless you can get the ear of a Senator, or a Congressman, or a Chief of a Bureau or Department, and persuade him to use his "influence" in your behalf, you cannot get an employment of the most trivial nature in Washington. Mere merit, fitness and capability, are useless baggage to you without "influence”."
Leider jedoch macht das Buch einen zerstückelten Eindruck. Es beginnt damit, die Geschichte der Familie Hawkins zu erzählen. Schwenkt dann um zu zwei jungen Männer namens Philip Sterling und Henry Brierly, dann ein wird ein wenig über die Adoptivtochter der Hawkins erzählt. Die Wege der verschiedenen Personen kreuzen sich immer wieder, aber die Geschichte wirkt zerfasert, die Charakterisierung der Protagonisten ist sehr oberflächlich und das witzigste sind die direkten ironischen Einwürfe des Erzählers. Irgendwann zieht sich das Buch unglaublich in die Länge und wird immer zäher.
Streckenweise ist das Buch erstaunlich feministisch und es gibt eine Protagonistin, die sogar Medizin studiert und anschließend praktiziert, nur um den Job sofort als zu anstrengend an den Nagel zu hängen, als sie wohlhabend heiraten kann.
Stilistisch gibt es sogar ein bisschen metafictionale Elemente, was wirklich sehr modern und seiner Zeit voraus ist: „This is not history, which has just been written. It is really what would have occurred if this were a novel. If this were a work of fiction, we should not dare to dispose of Laura otherwise. True art and any attention to dramatic proprieties required it. The novelist who would turn loose upon society an insane murderess could not escape condemnation."
Es muss einen Grund geben, warum dieses Buch von Mark Twain nie ins Deutsche übersetzt wurde. Ja, es gab einer Era ihren Namen, es ist aber wahrlich keine gut geschriebene, spannende Geschichte. Es ist eher aus historischer Sicht interessant und um die heutige ökonomische Situation mit der damaligen zu vergleichen und daran zu verzweifeln, dass wir alle 70 Jahre die selben Spiele spielen.
Für Mark Twain Fans sicherlich ein Muss. Es gibt aber definitiv bessere Bücher dieses Autors.