„The Time Machine“, irgendwie kennt jeder die Geschichte, meist als Film, entweder in einer alten Variante aus den 1960er Jahren (die ich als Kind gesehen habe und die ich nie vergessen konnte) oder in der neuen Variante (die ich nicht kenne). Auch wenn man die Filme nicht kennt und das Buch nicht gelesen hat, weiß dennoch jeder grob, um was es geht minus der sozialkritischen Aspekte.
Somit ist die Geschichte nicht wirklich überraschend oder neu, wenn man sie dann wirklich einmal liest: Der Zeitreisende, dessen Name nie genannt wird, ist ein typischer viktorianischer Wissenschaftler. Reich (wahrscheinlich ererbt) und Generalist auf vielen Gebieten. Man hat Zeit und Geld und widmet sich den Wissenschaften, sieht aber zu, dass man rechtzeitig zum Tee oder Abendessen wieder daheim ist.
Der Zeitreisende reist also in die Zukunft, eine FERNE Zukunft, parkt seine Zeitmaschine und nimmt sicherheitshalber die Steuerung raus, ganz doof ist er ja nicht. Abschließen geht nicht, denn es scheint sich um eine Art Cabrio zu halten (wie intelligent das ist, sei mal dahingestellt, denn es wirft ihn über den Lenker, als er zu stark bremst). Die Gesellschaft, die er vorfindet ist idyllisch. Attraktive, hübsche Menschen, deren Sprache eher einfach ist und die Angst vor dem Dunkeln haben. Die Geburtenrate ist deutlich zurückgegangen und Männer und Frauen unterscheiden sich nicht mehr sonderlich, denn
„for the strength of a man and the softness of a woman, the institution of the family, and the differentiation of occupations are mere militant necessities of an age of physical force; where population is balanced and abundant, much childbearing becomes an evil rather than a blessing to the State […].”
DAS klingt ein wenig nach Angenda 2030 und den WEF Träumen.
Da irgendjemand ihm seine Zeitmaschine geklaut hat, sitzt der Zeitreisende erst einmal fest und lernt Sitten und Gebräuche. Bald erkennt er, dass Idylle doch nicht so erstrebenswert ist.
„For the first time I began to realize an odd consequence of the social effort in which we are at present engaged. And yet, come to think, it is a logical consequence enough. Strength is the outcome of need; security sets a premium on feebleness. The work of ameliorating the conditions of life—the true civilizing process that makes life more and more secure—had gone steadily on to a climax.”
Auch das kommt irgendwie bekannt vor. Harte Zeiten machen harte Männer, gute Zeiten machen verweichlichte Männer. Die Auswüchse wie in diesem Roman, können wir aktuell live beobachten.
Direkter geht es kaum.
Darwinismus ist gut.
Konkurrenzdenken ist gut.
Neoliberalismus und Kapitalismus sind gut.
Kooperation, Sozialismus, Sicherheit würden nur zur Degeneration und Verweichlichung führen und zum Untergang der Menschheit.
Irgendwie das andere Extrem.
Ich bin eher von anarchistische Kooperation.
Der übliche (Sozial-)Darwinismus der damaligen Zeit eben. Und falls seine Leser das nicht verstehen sollten, liefert der Autor sicherheitshalber gleich mal die Interpretation mit
„It seemed to me that I had happened upon humanity upon the wane. The ruddy sunset set me thinking of the sunset of mankind.”
Ja, schon klar. Wer ein leichtes Leben führt in hoher gesellschaftlicher Stellung, wird irgendwann zum Vieh, das man in der Zukunft als Fleischlieferant hält und verspeist. Die Molocks, die Nachkommen der Arbeiter, haben sich aufgrund der mechanischen Maschinen, die sich bedienen und verwenden, zumindest noch einen Funken praktischer Intelligenz bewahrt im Vergleich zur den Nachkommen der Oberschicht… Aber auch für die Morlocks war das Leben zu einfach, sie sind daher auch degeneriert… Eine arg simplistische Sichtweise, zumal man damals und heute weiß (und bewiesen hat), dass Kooperation immer erfolgreicher ist als Konkurrenz, was leider zu den Neoliberalen Ideologen nicht vorgedrungen ist.
Es kommt, wie es kommen muss, der Zeitreisende lacht sich ein hübsches, dummes Mädel an, das er rettet und das ihm dann wie ein Schoßhund nachläuft. Er erforscht ein wenig diese neue Welt, die Geschichte dieser Welt (ZUFÄLLIG hat ein Museum auf der grünen Wiese überlebt), wird die nervige, nachlaufende Eingeborene durch einen Unfall los, weint ihr keine Träne nach, bekommt seine Zeitmaschine wieder, reist noch mehr in die Zukunft, um das Ende des Planeten zu beobachten (das sind die eindrucksvollsten Szenen, wie sich die Sonne aufbläht, die neuen Kreaturen…) und… ist pünktlich zum Abendessen mit seinen Freunden zurück.
Very victorian.
Ja, in diesem Buch wird das Konzept der Zeitreise mit Hilfe einer Zeitmaschine erfunden. Das ist bahnbrechend. Der Anfang eines kompletten Sci-Fi Untergenres. Die Geschichte ist auch heute noch lesbar und unterhaltsam, wenn auch recht platt und direkt in ihrer Interpretation mit einem nervigen Narrator, der die gewünschte Interpretation immer gleich mitliefert. Ja, sie ist zu Recht ein Klassiker. Sie packt mich aber nicht. Die Charaktere sind flach, sie bleiben fern, man weint auch dem Zeitreisenden keine Träne nach. Seine Freunde, die zum Abendessen kommen, kann man kaum unterscheiden und erinnert sie nur als Masse, obwohl sie Namen haben, im Gegensatz zur Hauptfigur. Gute Story, da wäre sprachlich und handwerklich aber definitiv noch einiges an Luft nach oben.