“North and South” erzählt die Geschichte der 19 Jahre alten Margaret Hale. Zunächst wächst die Pastorentochter bei ihrer Tante in London auf, um ihrer Cousine Gesellschaft zu leisten, und eine gute Ausbildung zu bekommen. Margarets Tante ist eine reiche Witwe, Margaret mangelt es an nichts.
Nach der Hochzeit ihrer Cousine jedoch, zieht Margaret zurück zu ihren Eltern aufs Land. Hier lebt man deutlich bescheidener und das Geld reicht gerade so.
Aufgrund von Gewissensproblemen, tritt Margarets Vater aus der Chuch of England aus und wird zum Dissenter. Er muss die Pfarrei verlassen und wird Privatlehrer in einer (erfundenen) Industriestadt namens Milton.
Als Mittelstandskind steht Margaret von nun an zwischen den beiden Hauptständen der Stadt: Den Fabrikbesitzern und den Arbeitern. Margaret gehört keinem dieser Stände an, verkehrt aber mit beiden und kann so beide Sichtweisen der Probleme darstellen, die die beiden Stände umtreiben.
North and Shouth ist eine „industrial novell“ or “social novel”. Margaret dient als Vermittler zwischen den beiden Sichtweisen von Arbeitern und Fabrikbesitzern und vermittelt dem Leser so, die Probleme, mit denen beide Seiten in Zeiten des Raubtierkapitalismus kämpfen müssen. Die Probleme sind nahezu identisch zur aktuellen Situation im Neoliberalismus:
"[…] there is no human law to prevent the employers from utterly wasting or throwing away all their money, if they choose; but that there are passages in the Bible which would rather imply—to me at least—that they neglected their duty as stewards if they did so. [...] I see two classes dependent on each other in every possible way, yet each evidently regarding the interests of the other as opposed to their own."
Die Spinnereibesitzer treiben dasselbe Spiel, wie die Konzerne heute: begger thy neighbor. Man versucht die USA zu unterbieten und beutet dabei die eigenen Arbeiter dermaßen aus, dass deren Lohn nicht mehr zum Überleben reicht. "'State o' trade! That's just a piece o' masters' humbug. It's rate o' wages I was talking of. Th' masters keep th' state o' trade in their own hands; and just walk it forward like a black bug-a-boo, to frighten naughty children with into being good. I'll tell yo' it's their part,—their cue, [...],—to beat us down, to swell their fortunes; and it's ours to stand up and fight hard, [...] for justice and fair play."
Die Arbeiter sind entsprechend sauer und streiken. Die Fabrikbesitzer holen sich billigere Arbeiter aus Irland. Die einheimischen Arbeiter gehen auf die Barrikaden und bedrohen die Billiglöhner. Die Arbeitgeber argumentieren genauso falsch wie heute, weil sie nicht kapieren, dass mit sinkenden Löhnen der heimische Binnenmarkt zusammenbricht und sie somit eben über zwei Ecken ruiniert werden, mit Adam Smith " if yo'll read it yo'll see how wages find their own level, without either masters or men having aught to do with them; except the men cut their own throats wi' striking, like the confounded noodles they are." Der Arbeitsmarkt ist aber eben kein Kartoffelmarkt, wie sie es wohl gerne hätten.
Margaret redet dem Fabrikbesitzer Thornton, der bei ihrem Vater Unterricht in klassischer Literatur nimmt, ins Gewissen. Thornton sieht ein, dass er für seine Arbeitereine soziale Verantwortung hat. Ein Geschäftsmann mit Gewissen schadet sich selbst. Was ist das für eine Moral, die hier gezeigt wird. Wenn man auf Gewinn optimiert, muss man also über Leichen gehen, oder verlieren und seine Ehre behalten. Wer Sympathie für seine Arbeiter hat, wird seine Fabrik verlieren... Die Moral von der Geschicht‘, soziale Verantwortung und ein Gewissen zahlt sich nicht aus. Wer ehrlich ist, nicht spekuliert und fair handelt, verliert letztendlich. Diese neoliberale Ideologie kommt einem irgendwie bekannt vor. Langfristig führt sie in die Katastrophe, kurzfristig ist sie aber für den einzelnen von Vorteil.
Da ein Roman, der rein auf Sozial- und Witschaftskritik basiert, die meisten Leser wohl zu Tode langweilen würde, sind in diesen Hintergrund natürlich noch private Schicksale eingewoben. Natürlich verliebt sich Margaret in Thornton, natürlich müssen sie erst durch ein Jammertal des Elends bis sie zueinder finden, natürlich muss die Heldin leiden, es gibt Irrungen und Wirrungen und die Protagonisten sterben wie die Fliegen oder wie in „Game of Thrones“. Irgendwann habe ich aufgehört, die Todesfälle in diesem Roman zu zählen, da werden so einige Hauptfiguren der Reihe nach eliminiert, damit man noch ein wenig das Thema Emmanzipation und Frauenrechte behandeln kann „she tried to settle that most difficult problem for women, how much was to be utterly merged in obedience to authority, and how much might be set apart for freedom in working."
Dieser Roman basiert auf der Auslotung von (extremen) Gegensätzen:
Arm – Reich
Norden – Süden
Land – Stadt
Fabrikbesitzer – Arbeiter
gebildete Schicht – ungebildete Schicht
Profit – Gewissen
Ausbeutung – Soziale Gerechtigkeit
Reiche alleinstehende Frau – arme verheiratete Arbeiterin mit vielen Kindern – Reiche Frau mit Kindern und Mann – Arme Witwe mit vielen Kindern
Bei all diesen Themen kommt somit die Entwicklung der Charaktere vorhersehbarer Weise zu kurz. Margaret bleit oberflächlich, eine little Miss perfect, die es allen Recht machen will, die brave Tochter, die perfekte Frau, die Vermittlerin zwischen den Ständen von allen geliebt.
Thornton bleibt auch eher ein genereller Platzhalter ohne Persönlichkeit, genau wie fast alle anderen Protagonisten. Die Handlung ist flach, linear, es passiert nicht viel. Hier geht es eben um soziale Belange, über die ein wenig klischeehafter Handlungszuckerguss gegossen wird.
Das ist OK, soweit unterhaltsam, aber kein Buch, das man ein zweites Mal lesen würde.