Gaskells Debutroman aus dem Jahre 1848 erzählt die Geschichte zweier Familien aus der Arbeiterklasse. Die Bartons und die Wilsons sind unterster Mittelstand, sie kommen gerade so über die Runden, wenn die Zeiten gut sind. In schlechten Zeiten verhungern auch bei ihnen die Kinder. Beide Familien haben tote Kinder durch Mangelernährung zu beklagen. Barton ist alleinerziehender Vater. Er verlor seinen Sohn Tom im Kindesalter und hat nun nur noch den Teenager Mary, nachdem seine Frau bei der Geburt eines dritten Kindes verstarb, mitsamt dem ungeborenen Kind. Die Schwester seiner Frau ist nach einer Affäre mit einem wohlhabenden Soldaten verschwunden. Den Wilsons geht es auch nicht viel besser. Von all ihren Kindern hat nur Jem überlebt, der unsterblich in Mary verliebt ist.
Mary will nicht in einer Fabrik arbeiten. Sie nimmt eine Lehrlingsstelle als Schneiderin an, die sich nur bekommt, weil sie hübsch ist und man sie somit gut den Kunden vorzeigen kann. Ihre Schönheit öffnet ihr mehr als eine Tür. Auch Harry Carson, der Sohn des Fabrikbesitzers für den Marys Vater arbeitet, macht Mary den Hof und stalkt sie regelrecht. Als sie mit Carson Schluss macht, will er dennoch nicht aufgeben, bis er ermordet aufgefunden wird. Er wurde mit der Waffe von Jems verstorbenem Vater erschossen.
Mary Barton ist Gaskells anonym veröffentlichter Debutroman, der 1848 erschien. Das war eine Zeit, in welcher Deflation oder besser Stagflation, Europa genau wie heute, finanziell beutelte und die Arbeiter am meisten traf, genau wie heute. Die Reichen brachten ihre Schäfchen ins trockene während die Arbeiter freigesetzt werden und in schimmeligen Kellerwohnungen verhungern und am Fieber sterben.
"[…] the poor weaver to see his employer removing from house to house, each one grander than the last, till he ends in building one more magnificent than all, or withdraws his money from the concern, or sells his mill to buy an estate in the country, while all the time the weaver, who thinks he and his fellows are the real makers of this wealth, is struggling on for bread for their children, […] This disparity between the amount of the earnings of the working classes and the price of their food, occasioned, in more cases than could well be imagined, disease and death. [...] induced a suspicion in the minds of many of them, that their legislators, their magistrates, their employers, and even the ministers of religion, were, in general, their oppressors and enemies."
Am Anfang glauben die Arbeiter noch, dass der Staat ihnen helfen würde. Sie glauben noch, dass die damalige Version der Agenda 2030 ein Irrtum ist, dass die da oben nicht um das Elend wissen, dass unter den normalen Bürgern grassiert.
"They could not believe that government knew of their misery; they rather chose to think it possible that men could voluntarily assume the office of legislators for a nation, ignorant of its real state [...] the very existence of their distress had been denied in Parliament"
Damals wie heute werden sie aber schnell eines Besseren belehrt. Dieses System ist so gewollt. Sie werden ignoriert genau wie ihre Petition (auch das kommt irgendwie bekannt vor). Genau wie heute, führte das 1848 zur Radikalisierung. Damals gab es einen Linksruck, der sich gegen die Oberschicht richtete.
"I've thought we han all on us been more like cowards in attacking the poor like ourselves; them as has none to help, but mun choose between vitriol and starvation. I say we're more cowardly in doing that than in leaving them alone. No! what I would do is this. Have at the masters!" Again he shouted, "Have at the masters!"
An diesem Punkt wird aus dem radikalen fast schon sozialistischen Roman leider ein fast Krimi und ein morality tale. Der Aufstand der Arbeiter kulminiert in der Ermordung des Fabrikbesitzersohnes. Jem wird zu Unrecht eingesperrt und Mary erkennt endlich, dass er ihre wahre Liebe ist. Sie setzt nun alles daran, seine Unschuld zu beweisen. Auch der Fabrikbesitzer Carson muss über seine Sünden und sein Verhalten nachdenken und wird sich seiner sozialen Verantwortung bewusst.
Es ist nicht so, dass es in diesem Roman nur um das Präkariat geht. Es gibt durchaus Mittelstandsfamilien, denen es besser geht. Die blinde Sängerin Margaret verdient sehr gut, besser als als Näherin, was ihr Augenlicht ruinierte. Auch ihr Großvater kommt als Naturphilosoph anscheinend gut über die Runden, obwohl auch er in jungen Jahren schwere Jahre hatte als Arbeiter und alleinerziehender Großvater.
Mary Barton änderte die Sicht des gehobenen Mittelstandes auf das Präkariat. Der Appell des Autorin, die teilweise als first person narrator die Handlung kommentiert, traf auf offene Ohren.
"[…] that hence it was most desirable to have educated workers, capable of judging, not mere machines of ignorant men; and to have them bound to their employers by the ties of respect and affection, not by mere money bargains alone; in short, to acknowledge the Spirit of Christ as the regulating law between both parties."
Reviewer erkannten durchaus
"it may be kind or wise or right to make fiction the vehicle for a plain, matter of fact exposition of social evils"
obwohl die Meisten, damals wie heute wetterten, dass das ja in Wirklichkeit nicht so wäre. Arbeiter würden ja nicht ausgebeutet, Deutschland/England geht es gut, denn wer kannte schon Leute aus dem Präkariat? Damals wie heute hatten die sozialen Schichten kaum Kontakt und waren auf verzerrte Darstellung aus dem Medien angewiesen, die natürlich die Sicht der Wohlhabenden wiedergaben. Wer damals und heute mit offenen Augen durch die Straßen ging/geht er kannte aber, dass es 25% der Bevölkerung eben nicht mehr gut ging und dass der Wohlstand der Wenigen auf der Ausbeutung der Vielen beruhte.
Geschichte wiederholt sich. Währungszyklen haben ca. 70 Jahre Laufzeit. 1848, 1930, 2024. Mit ein paar kleinen Änderungen könnte diese Geschichte ganz leicht an 2024 angepasst werden, mittlerweile passen die meisten europäischen Länger als Ort der Handlung.